Foto

EIN ANDERER PLANET

Tracey Thorn

In Deutschland ist Tracey Thorn weniger bekannt als in Großbritannien, wo ihre musikalische Karriere 1980 mit der All-Female-Postpunk-Band MARINE GIRLS begann und sich ab 1982 mit EVERYTHING BUT THE GIRL fortsetzte, einem Pop-Duo, das aus Tracey und ihrem späteren Ehemann Ben Watt bestand. 2000 endete dieses Kapitel, seitdem sind beide musikalisch solo aktiv. In „Bedsit Disco Queen“ von 2013 schreibt Thorn über diese Jahre, in UK war das Buch ein Bestseller. In „Another Planet: A Teenager in Suburbia“ von 2019, das nun in deutscher Übersetzung – gewohnt gut: Conny Lösch – vorliegt, geht sie auf ihre musikalische Biografie ab 1980 nur am Rande ein, vielmehr ist das Buch eine komplexe Reise in ihre Vergangenheit, immer kontrastiert mit der Gegenwart bzw. der Zeit (ca. 2016) als der Großteil des Textes entstand. Thorn hat sich ihre Teenager-Tagebücher geschnappt, war verblüfft, wie wortkarg die Einträge waren (wohl auch zum Schutz vor der neugierigen Mutter), und begab sich dann auf eine Reise zurück an den Ort, wo sie ihre Jugend verbrachte: in die Retortenstadt Brookmans Park, in den 1930ern nördlich von London erbaut. Thorn ergründet soziologisch deren Entstehungund Entwicklung hin zum prototyischen Sububurbia, wo sich ihrer Ansicht nach britische Klassengegensätze archetypisch manifestierten. Sie setzt das in den Kontext ihrer Erfahrungen als sich zum Punk entwickelnden Teenagerin, zeigt spannend den feministischen Kontext all dieser Erfahrungen und Kontexte auf und verwebt das bis in die nahe Gegenwart mit ihrer Familiengeschichte, die sich im gewissen Rahmen mit ihren Erfahrungen als Mutter von Teenager-Töchtern wiederholt. Eine spannende Perspektive.