Keine Promos, keine Infos, keine Interviews. Die 1979 in Mönchengladbach gegründeten EA80 waren schon immer groß im Rumgeheimnissen. In der Prä-Internet-Zeit, und da schließe ich die Neunziger mit ein, war das noch viel schlimmer als heute. Dabei war und ist diese Attitüde nicht einer Inszenierung entsprungen, sondern eher einem Unbehagen darüber, wie Rockmusik, Punk inklusive, gemeinhin „funktioniert“. Entsprechend ungewohnt lief dann auch 2000 eines der wenigen Interviews, das EA80 überhaupt je gewährten, ab: Aufnahmeverbot, nur schriftliche Notizen erlaubt – in Ox #39 erschien das, abrufbar ist es auf der Ox-Website. Passend zu dieser Verweigerungshaltung schrieb ich deshalb 1998 anlässlich der Veröffentlichung von „Schweinegott“ in Ox #31: „Sie sind besser als je zuvor.“ Das musste reichen. Denn es gab ja auch nicht wirklich was zu berichten, sagte doch Maul zwei Jahre später: „Weiterentwicklung ist evil“, was man durchaus als Schlüsselaussage zu EA80 bezeichnen kann. „Aufgenommen März 98 in 7 Tagen in vertrauter Umgebung (Venlo)“, verrät das Textblatt in einer Ecke, und wer weiß, wo Mönchengladbach liegt, weiß auch, dass die niederländische Grenzstadt Venlo da kaum exotisches Flair verbreitete, war doch seit den Sechzigern jeder Bewohner des Rheinlands und Ruhrgebiets von klein an samstägliche Ausflüge nach „west of the border“ gewohnt – für billigen Kaffee, billiges Dope oder gute Konzerte. Und in diesem Fall: eine gewohnte Studioumgebung. Von den Songtexten, die auf dem Backcover abgedruckt sind, sticht mit über zwei Jahrzehnten Distanz nur einer hervor, weil er seltsam direkt, unverklausuliert und szenebezogen ist: „HC/HC“. Hier wird, pauschal gesagt, mit der damaligen dogmatischen Hardcore-Szene abgerechnet („Disse dies und disse das“) – so deutlich wurde und wird Junge/Martin selten, man ahnt, wie ihn die damaligen Szene-Diskussionen gestört haben müssen. In Erinnerung geblieben sind außerdem „Sofakissen“, „Hausapotheke“ und „Gast“. Drei Jahre kam „Alle Ziele“, ebenfalls wiederaufgenommen „mit Wim“ in Venlo. „Seit 1979. Mönchengladbach. 4 Personen. PUNK. Die 9. LP. Aufgenommen in 7 Tagen. 12 Songs. Alles ist gut. Danke.“ So lautete meine „Rezension“ in Ox #45 vom Dezember 2001 – mehr traute ich mich damals wohl nicht zu schreiben. Dabei fällt mir heute und im Vergleich auf, dass „Alle Ziele“ ein wirklich aggressives, wütendes Album ist, wie etwa „Alle Richtungen“ oder „HC/DC“ (keine Fortsetzung des Themas vom Vorgängeralbum) zeigen. „Sonderwelt“ ist dann wieder so ein „typisches“ EA80-Lied, wie auch „Waldmenschen“ und „Noch 3“. Vielleicht kommt ja mal der Tag, an dem eine echte Text-Anamnese in Bezug auf EA80 und auch auf diese Stücke geschrieben wird. Die Verzweiflung, die Depression, die aus diesen zu sprechen scheint, erschreckt mich rückblickend geradezu. Aber wie es so ist mit literarischen Texten: Man sollte niemals von den Texten eines Autors 1:1 auf diesen rückschließen. Es gibt immer noch viele Fragen zu EA80, und als dauernd Fragender frage ich mich, ob eines Tages der Zeitpunkt gekommen ist, an dem ich sie stellen kann und auch Antworten darauf bekomme – oder ob die Schönheit von EA80 auf ewig aus ihrer partiellen Sprachlosigkeit bestehen wird. Beide Alben wurden in der jüngeren Vergangenheit nach längerer Abwesenheit vom Tonträgermarkt durch Major Label neu aufgelegt – Martin „Junge“ Kircher hat jenseits des Veröffentlichens seiner Projekte wie Killer(lady) offenkundig den Spaß am Labelmachen über Musikzimmer etwas verloren, und es bedeutet ja durchaus einigen Aufwand, +/- 15 Alben permanent verfügbar zu halten.
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