2003 gründeten sich DIE! DIE! DIE! in Auckland, Neuseeland, und obwohl es für Musiker auch in einer globalisierten Welt wohl keine ungeschicktere Homebase gibt als jene seltsam britischen Inseln am anderen Ende der Welt, haben sie es geschafft, in Europa, in Deutschland Fuß zu fassen.
Nach dem titellosen Debüt 2006 auf OK!Relax (mit Pressungen auch in Japan und UK) folgte 2008 „Promises Promises“ auf S.A.F. Records aus den USA und dann 2010 „Form“ auf dem legendären neuseeländischen Flying Nun-Label, das 2011 von Golden Antenna in Deutschland veröffentlicht wurde.
„Harmony“ von 2012 erschien dann mit Golden Antenna als „Hauptlabel“, bevor die zu diesem Zeitpunkt bereits europatourerfahrene Band für „S.W.I.M.“ zu SoS wechselte, wobei es auch UK- und US-Versionen auf Small Town America gab.
Und nun also „Charm. Offensive.“, anscheinend erstmal nur auf dem Hamburger SoS-Label und nur auf Vinyl – und mit einem Titel, der offenbart, dass die Neuseeländer einen scharfen Blick auf seltsame deutsche Komposita haben.
Lese ich mir die Rezensionen der bisherigen DIE! DIE! DIE!-Releases durch, erkennt man zwischen den Zeilen zum einen, dass es den Rezensenten schwer fiel, die Band zu erfassen: Was sind das für welche, was wollen die eigentlich? Und man erkennt die Metamorphose, welche die Band durchlaufen hat, weg von jenem in ihrer Frühzeit blühenden Neo-Post/Dance-Punk-Genre, in das man sie stopfen konnte, hin zu einem immer freieren, komplexeren Sound.
Diese grundsätzliche, abstrakte und sich über ein weites Feld erstreckende Post-Punk-Kante ist immer noch prägend, aber da ist so viel mehr. Proggige Momente, noisiges Experimentieren, Möwengeschrei, hektische Rhythmik, und alles in enormer Dichte und Dringlichkeit dargeboten.
Ihr kennt diese Menschen, die so viel erzählen müssen, dass sie ihr Gegenüber kaum zu Wort kommen lassen – nicht aus Unhöflichkeit oder Schwatzhaftigkeit, sondern weil ihr Hirn sonst vermutlich einfach explodieren würde – und wo man zwischen Genervtheit und Fasznation schwankt.
So ähnlich geht es mir bei DIE! DIE! DIE! Ein komplexes, forderndes Album, das aber im Detail doch nicht überfordert. Aufgenommen wurde „Charm. Offensive.“ in dem hübschen Urlaubsort und Surferspot Byron Bay südlich von Sydney, Australien sowie in London und im heimischen Neuseeland, und wem das noch nicht exotisch genug ist: gemastert wurde in Tasmanien, auf halbem Wege zwischen NZ und Oz.
Sehr handgemacht wirkt das Artwork von Harley Jones, und enttäuscht bin ich einzig davon, dass die Band ihre Texte für so irrelevant hält, dass sie einfach nicht abgedruckt wurden. Der zu „My friend has a car he starts with a hammer (What has been seen can’t be unseen)“ hätte mich speziell interessiert.
Vor allem, weil der Hammertrick bei alten Autos tatsächlich funktioniert.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #95 April/Mai 2011 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #105 Dezember 2012/Januar 2013 und Christina Wenig
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #80 Oktober/November 2008 und Andreas Krinner
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #116 Oktober/November 2014 und Christina Wenig