DER SOMMER ALS JOE STRUMMER KAM

Rainer Krispel

Mitte vierzig ist nicht das Alter, in dem man Autobiografien schreibt. Was tun, wenn man trotzdem schon eine Menge erlebt hat, das zudem „punkhistorisch“ interessant ist, man aber auch kein Selbstdarsteller ist? Man schreibt einen Roman, und so heißt Rainer hier Gustav.

Die Orte sind geblieben, Linz und Wien, die Bandnamen fast (die Band heißt STAND TO DEMAND, eine „zufällige“ Ähnlichkeit mit Rainers Band TARGET OF DEMAND und den anderen Linzer Hardcore-Helden der späten Achtziger, STAND TO FALL), ein gewisses süddeutsches Hardcore-Magazin heißt hier Hope, und so weiter.

Es macht Spaß, diese bewusst nur leichten Verfremdungen zu entschlüsseln, andere Namen sind echt, etwa der von CLASH-Sänger und Überheld Joe Strummer oder von anderen Hardcore-Heroen der Achtziger wie NEGAZIONE, NOMEANSNO und so weiter.

Rainer lässt Gustav (s)eine Geschichte erzählen, von der Kindheit in der Provinz mit den üblichen Anfeindungen gegenüber Punks, von seinen Bands, deren Touren durch Europa, gescheiterten Beziehungen, den Schwierigkeiten, seinen Platz im Leben zu finden, das lange Suchen und schließlich mit jenseits dreißig, als sich die Todesfälle von Helden (Strummer) und alten Freunden häufen, die Erkenntnis, dass man diesen Platz längst gefunden hat: in der Musik.

Rainer Krispel erzählt relativ fragmentarisch und anekdotenhaft, schreiberisch versiert (schließlich verdient er sein Geld als Journalist), und je weiter ich in diesem Buch vorankam, desto besser gefiel mir dieser nicht geradlinige, viel mit Rückblenden arbeitende Schreibstil.

Wer etwas über den europäischen Hardcore in den späten Achtzigern/frühen Neunzigern erfahren will, ohne zu einem Sachbuch zu greifen, hat hier sicher großen Spaß.