Trotz der Hitze hat sich der Mann eine schwarze Skimütze aufgesetzt, er hat sie sich sogar über das Gesicht gezogen, lediglich ein Schlitz lässt seine Augen frei. Er spricht über Krankenhäuser im Süden Mexikos, in der Provinz Chiapas, die er und seine Mitstreiter ohne jegliche Unterstützung des Staates ausbauen wollen.
Im Hintergrund sieht man Kinder, die wie Banditen aussehen, denn sie haben sich Tücher vor Mund und Nase geschnürt. Den Namen des Mannes erfährt man nicht, bloß dass er Eingeborener ist und ein Angehöriger der zapatistischen Befreiungsarmee EZLN, ein "Gesundheitspromoter".
Gerade in diesen Tagen wird vielen Menschen das Wissen ausreichen, dass er einer Rebellenorganisation angehört, um ihn zum gefährlichen Terroristen abzustempeln. Doch trotz der systematisch maskierten Auftritte der Kämpfer vor der Kamera ist hier etwas anders.
Im Dokumentarfilm "Der Aufstand mit Würde" über 13 Jahre EZLN sieht man keine Waffen, es gibt wenig kriegerische Worte zu hören. Der bewaffnete Kampf ist längst vorbei, er hat gerade mal 14 Tage gedauert, das war 1994, als sich die nach dem Revolutionär Zapata benannten indigenen Rebellen gegen den Staat erhoben und in Chiapas sieben Städte und zahlreiche Ländereien der Großgrundbesitzer besetzten.
Die EZLN verteilte den Boden an Familien, die zuvor als Lohnsklaven für die Vorbesitzer schuften mussten, sie führte in vielen Gemeinden politische Autonomie ein, baute im Bildungs-, Gesundheits- und Versorgungssektor basisdemokratische Strukturen auf und setzt sich massiv für Naturschutz ein.
Derweil sind die Zapatistas ständig der Gefahr von Übergriffen durch das mexikanische Militär ausgesetzt, das in diesem Konflikt mit Hilfe von paramilitärischen Gruppen auf zermürbende psychologische Kriegsführung gegen Zivilisten setzt: Überfälle, Vergewaltigungen, Entführungen, Folter, Mord.
Das Münsteraner Filmteam von Zwischenzeit e.V. war fünf Monate lang vor Ort und veröffentlicht nun den vierten und vorerst letzten Teil einer Dokumentationsserie über Missstände in Mexiko und Mittelamerika.
Dieser Film zeigt auf Eigeninitiative beruhende, positive Entwicklungen und Projekte der EZLN in Chiapas, der ärmsten Region Mexikos, in der trotz des Rohstoffreichtums die indigene Bevölkerung nicht am Wohlstand partizipieren darf, sondern vom Staat unterdrückt und ausgebeutet wird.
Ihr gewaltfreier Kampf und die überwiegend funktionierende Selbstverwaltung macht die EZLN weltweit zum Vorbild von Menschenrechtsverfechtern, Kapitalismuskritikern und linker Gruppen. "Der Aufstand mit Würde" lässt Betroffene zu Wort kommen und einige internationale Helfer und Beobachter und bietet mit einem ruhigen, gut recherchierten Kommentar eine geeignete Einführung in die Thematik eines schwelenden Konflikts, der für die Weltöffentlichkeit noch immer nicht existent ist.
Doch der Anfang ist gemacht, und das ist auch dem Mann mit der Skimütze zu verdanken, dessen Kinder jetzt zur Schule gehen und nicht zuletzt deshalb auf ein besseres Leben hoffen können. (65:00)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #74 Oktober/November 2007 und Arne Koepke