DEL REY

Darkness and Distance CD

Es kommt nicht selten vor, dass zwischen dem, was man von einer Platte im Vorfeld erwartet und dem, was man dann schließlich zu hören bekommt, Welten liegen. In manchen Fällen ist die Enttäuschung groß, in anderen Fällen herrscht positive Überraschung.

Aber es gibt noch eine dritte Kategorie: das bloße, ungläubige Erstaunen. Ein Fallbeispiel dafür hat die Band DEL REY aus Chicago mit ihrem neuen Album "Darkness and Distance" geliefert. Erinnern wir uns an 1999, das Jahr in dem die erste, mit einem hand-printed Cover daherkommende und auf 1.000 Kopien limitierte EP "dlry" herauskam.

Das war irgendwie Musik für David Lynch-Filme, Postrock-Movie-Musik eben. In der Zwischenzeit folgten weitere Releases und einige personelle Umbesetzungen. Kreativer Mittelpunkt war damals wie heute Eben English, seines Zeichens Multi-Instrumentalist und Schlagzeuger der grandiosen L'ALTRA.

Mit "Darkness and Distance" wurde nun ohne mit der Wimper zu zucken eine Stadion-Postrock-Platte rausgehauen. Song Nr. 2 ist der unumstößliche Beweis dafür, dass hier keinerlei Scheu bestand, die schmierigsten Hardrock-/Heavymetal-Klischeeriffs auszugraben, dann aneinanderzureihen und das Ganze in einem nach pyrotechnischen Utensilien schreiendem Bombastsound aufzunehmen.

Beim ersten Hören grinst man eigentlich nur und schaut noch mal verdutzt bis fassungslos auf das Plattencover, um sich zu vergewissern, dass da irgendwo die beiden Worte "DEL REY" und nicht doch vielleicht "MÖTLEY CRÜE" zu finden sind.

Beim zweiten Durchlauf spreizen sich automatisch Zeige- und kleiner Finger nach oben und man steht breitbeinig - aber nach wie vor grinsend - vor seinem CD-Spieler. Der dritte Durchlauf aber lässt langsam erkennen, dass DEL REY hier keineswegs stupiden Hardrock oder antiquierten Postrock präsentieren, sondern vielmehr Straightness und Grenzenlosigkeit um ihrer selbst willen zelebrieren.

Und irgendwann, nach weiteren Hördurchlaufen, kriechen dann die im Detail und hinter Geriffe und Gebolze verborgenen Kleinigkeiten, die spielerischen Raffinessen, hervor. AC/DC meets SHELLAC.

Wer konnte so etwas erwarten?