DEATH SENTENCE - TODESURTEIL

Letztes Jahr kamen mit James Wans DEATH SENTENCE und Neil Jordans THE BRAVE ONE fast zeitgleich zwei Filme ins Kino, die man als eine Art kulturellen Backlash ansehen konnte, eine Rückkehr in die durch EIN MANN SIEHT ROT Mitte der 70er Jahre angeheizte Selbstjustiz-Stimmung des amerikanischen Genrefilms.

Amüsanterweise basierte DEATH SENTENCE auch noch auf einem Buch von Brian Garfield, der bereits die Vorlage für EIN MANN SIEHT ROT geliefert hatte. Während dumme Menschen DEATH SENTENCE faschistoide Tendenzen vorwarfen, wurde THE BRAVE ONE in den Himmel gelobt, bei dem es offenbar reichte, eine vermeintlich emanzipierte Frau die Hauptrolle spielen zu lassen, um ein völlig unglaubwürdiges, dümmliches Drehbuch zu kaschieren, das in gemeingefährlicher Art seine Selbstjustiz-Ideologie zu rechtfertigen versuchte.

Selbst ein EIN MANN SIEHT ROT besaß da noch mehr Feingefühl hinsichtlich seines schon reichlich bedenklichen gesellschaftlichen Kommentars und seiner grundsätzlichen Botschaft - ein Film, über den das Lexikon des internationalen Films bereits urteilte: "Ein zynischer Film, der suggestiv und kalkuliert alle Mittel einsetzt, um Selbstjustiz zu rechtfertigen." Am Ende des Tages reicht es halt, die bösen Jungs über die Klinge springen zu lassen.

In dieser Hinsicht beschreitet DEATH SENTENCE keinen großartig anderen Weg, auch wenn Kevin Bacon als Nicholas Hume, dessen Familienglück sich im Laufe des Films vollkommen pulverisiert, immer wie ein Getriebener wirkt, während man bei der Figur in THE BRAVE ONE das Gefühl hat, dass es nur eines billigen dramaturgischen Kunstgriffs bedurfte, um Jodie Foster zur aktiven, skrupellosen Killerin zu machen.

Wan hingegen macht seinen Nicholas Hume zum Auslöser einer Lawine, die sich nicht mehr aufhalten lässt und in einer sich stetig steigernden Gewaltspirale gipfelt. DEATH SENTENCE ist dabei sowohl ein gut inszenierter Actionfilm geworden als auch eine durchaus ambivalente Studie darüber, wie eine an sich friedfertige Person allein auf sich gestellt auf Gewalt als letztes probates Mittel zur Verteidigung der eigenen Existenz zurückgreifen muss, was starke Parallelen zu Sam Peckinpahs STRAW DOGS aufweist.

Und während der Moment der Rache in THE BRAVE ONE als orgiastischer Höhepunkt schamlos zelebriert wird, hat man bei DEATH SENTENCE nicht unbedingt das Gefühl, Hume hätte irgendwas Befriedigendes aus der Dezimierung seiner Widersacher gezogen, denn schließlich steht der Mann vor den Trümmern seines bisherigen Lebens.

Der Zuschauer dürfte bei Wans Film nun wirklich nicht auf die Idee kommen, dass man mit Gewalt etwas Positives bewirken kann. Gewaltverherrlichung könnte man da schon eher THE BRAVE ONE vorwerfen, denn so wie Jodie Foster hier ihren Peiniger hinrichtet, ist in höchstem Maße gewaltverherrlichend, und man fragt sich, wie die FSK diesem Film eine Freigabe ab 16 geben konnte.

Natürlich ist auch DEATH SENTENCE kein perfekter Film, denn er verstrickt sich häufiger in Klischees und kann sich nicht so recht entscheiden, ob er jetzt plakativer Rachethriller oder ernsthafte, gesellschaftlich relevante Charakterstudie sein will.

Dies geht einher mit der starken Performance von Kevin Bacon, der dem Leidensweg seiner Figur die nötige emotionale Glaubwürdigkeit beschert, auch wenn man die Transformation eines normalen Stadtmenschen zum Guerillakrieger schon häufiger gesehen hat.

Zumindest ist DEATH SENTENCE kontroverser als viele andere Genrefilme dieser Art, und Wan empfiehlt sich nach SAW und DEAD SILENCE erneut als guter Handwerker mit dem richtigen Gespür die nötige Dosis Härte und slicker Kameraführung.

In den Staaten ist bereits wieder eine längere Unrated-Fassung mit negativerem Schluss erschienen, doch die deutsche DVD enthält die ungeschnittene R-Rated-Fassung und besitzt einen wenig spektakulären Bonus-Teil.

Am besten macht man aus DEATH SENTENCE und THE BRAVE ONE direkt ein Double-Feature mit anschließender Diskussionsrunde.