Der Schotte John Niven versteht es Geschichten zu erzählen, die gerade dann besonders großen Spaß machen, wenn man es versteht, die subkulturellen Anspielungen in den Büchern zu entschlüsseln, wenn man die Bands, Platten und Szene-Insignien wiedererkennt.
Die Neunziger über arbeitete Niven für diverse britische Labels, lernte als Musikfan das Musikbusiness kennen und hassen, stieg 2002 aus und fing an zu schreiben. 2005 entstand „Kill Your Friends“, eine bitterböse Satire auf das Musikbusiness in den goldenen Zeiten vor Internet und Downloadkrise.
„Coma“ und „Gott bewahre“ (eine „Was wäre, wenn ...“-Geschichte mit böser Kritik an der US-Gesellschaft, in der Jesus in Person eines Kurt Cobain-Verschnitts auf die Erde zurückkehrt) folgte, und nun ist der Thriller „Das Gebot der Rache“ erschienen, in dem Niven die Geschichte des erfolgreichen, reich verheirateten Autors Donald Miller erzählt, der mit Frau und Kind in der kanadischen Provinz lebt und dort extrem blutig von seiner Vergangenheit als jugendlicher Krimineller eingeholt wird.
Die Biographie von Nivens Hauptfigur weist dabei Parallelen zu seiner eigenen Kindheit und Jugend in der Nähe von Glasgow auf, etwa was die musikalische Sozialisation mit Punk betrifft – und auch Gewalterfahrungen.
Das zentrale Thema ist hier Gerechtigkeit und Rache, doch Niven ist kein moralistischer Gerechtigsfanatiker: so sehr die Geschichte auch mitreißt, so sehr man mit Miller mitfühlt bei seinem Kampf um Leben und Tod seiner Familie, so hat man auch Verständnis für seine Gegenspielerin.
Letztlich ist „Das Gebot der Rache“ ein humanistisches Pläydoyer für eine zweite Chance, auch für (jugendliche) Täter, die schlimmste Taten begangen haben – und eines gegen ein von Gewalt beherrschtes Erziehungssystem.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #106 Februar/März 2013 und Joachim Hiller