Die französische Zeichnerin Chloé Cruchaudet war zu Beginn ihrer Karriere eher im Bereich Animation zu Hause, hat sich inzwischen aber auch als Comiczeichnerin etablieren können. „Das falsche Geschlecht“ ist auch nicht ihre erste Arbeit in diesem Bereich, allerdings die erste, die ihr dermaßen viel Aufmerksamkeit bescherte.
In „Das falsche Geschlecht“ erzählt sie die wahre Geschichte von Paul und Louise Grappe, eines normalen Paares aus dem Arbeitermilieu im Frankreich Anfang des 20. Jahrhunderts, dessen Leben sich durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs dramatisch verändert.
Denn Paul Grappe erste desillusionierende Erfahrungen mit dem Militärdienst führen zum Entschluss zu desertieren, wofür ihm die Todesstrafe droht, weswegen er sich seit Mai 1915 auf der Flucht befindet.
Zusammen mit seiner Frau kommt er dann auf die rettende Idee: Paul verwandelt sich in Suzanne, die beste Freundin seiner Frau Louise. Seine Maskerade kann Paul erst zehn Jahre später wieder ablegen, als ein weiteres Amnestiegesetz erlassen wird, das ihm Straffreiheit garantiert.
An diesem Punkt könnte man eigentlich ein Happy End einläuten und Paul Grappe zu diesem Husarenstück gratulieren, aber stattdessen offenbart sich die eigentliche Tragik dieser außergewöhnlichen Liebesgeschichte.
Denn Grappe hatte zu sehr Geschmack an seiner weiblichen Identität gefunden, die ihm ein Leben voll sexueller Ausschweifungen ermöglichte, für die er auch seine Frau zu begeistern versuchte.
Mit an Aquarelle erinnernden, scharf umrissenen Zeichnungen hat Cruchaudet diese ungemein faszinierende und düster-verstörende Transgender-Geschichte lebensnah zu Papier bringen können, basierend auf Fabrice Virgilis und Danièle Voldmans Buch „La garçonne et l’assassin“.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #119 April/Mai 2015 und Thomas Kerpen