Ähnlich wie Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“ gilt Robert Wienes zuvor entstandener „Das Cabinet des Dr. Caligari“ als einer der Meilensteine der Stummfilm-Ära. Während sich Murnau allerdings den zu dieser Zeit populären expressiven Ausdrucksformen verweigerte und einen fast dokumentarischen Stil wählte, war Wienes Film mit seinen grotesk verzerrten Kunstwelten der Vorreiter der filmischen Verlängerung der schon einige Jahre zuvor aufgekommenen Kunstrichtung des Expressionismus.
Bemühungen „Das Cabinet des Dr. Caligari“ zu restaurieren gab es schon seit den Achtzigern, die erste rundum befriedigende in digitaler Form gelang der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung aber erst im letzten Jahr, bei der wie schon im Fall von „Nosferatu“ unterschiedlichste Filmkopien zur Erstellung einer möglichst vollständigen Endfassung dienten.
Ähnlich sorgfältig wurde auch die nur teilweise erhaltene Original-Filmmusik im Sinne des ursprünglichen Komponisten nachempfunden. Zusätzlich enthalten DVD und Blu-ray die sehenswerte Doku „Dr.
Caligari – Die Geburt des Horrors im Ersten Weltkrieg“. Konzentrierte sich die Doku über Murnau für die „Nosferatu“-Veröffentlichung vor allem auf das Schaffen dieses Regisseurs, geht es hier um eine genauere Einordnung des Films in die generellen kulturellen und politischen Entwicklungen dieser Zeit.
Denn beide Filme entstanden zur Zeit der Weimarer Republik nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als sich die noch junge Demokratie stramm Richtung Nationalsozialismus bewegte, während die deutsche Filmindustrie fleißig Hollywood nacheiferte.
Insofern sind sowohl „Nosferatu“ als auch „Das Cabinet des Dr. Caligari“, der später als „entartete Kunst“ galt, immer eine wichtige Projektionsfläche dieser gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen gewesen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #115 August/September 2014 und Thomas Kerpen