Wenige Künstler räumten in der Prä-BEATLES-Ära mehr ab als Cliff und seine SHADOWS, die den Standard für britischen Rock’n’Roll neu definierten. Sie setzten mit ihrem verhallten Sound neue Akzente, Hank Marvins epischer Twang gab dem unkonventionellen Material die nötige Coolness, während Jet Harris und Tony Meehan als effektiv treibende Rhythmussektion den Songs zu Struktur verhalf. In der „The Brits Are Rocking“-Reihe kommt diese Compilation allerdings erstaunlich spät, denn der Einfluss von Cliff und den „Shads“ auf die Prä-Beat-Szene ist kaum zu unterschätzen. Die Kopplung setzt dabei durchweg auf härteres Material, für Schmusesongs wie „Travellin’ light“, die berüchtigten Pop-Nummern „Summer holiday“ oder gar „Living doll“ ist dabei kein Platz. Stattdessen brettharte Rockabilly-Nummern von der ersten bis zur letzten Minute. Mit dem 58er-Einstand setzte man den Kurs auf eigensinnige Arrangements fernab der damals dominanten US-Rocker, „Chopping and changing“ greift auf die gleiche Formel zurück, während auch poppigeres Material („Nine times out of ten“ oder „Got a funny feeling“) den Teenie-Bopper-Markt bedienen, ohne dabei verwässert oder seifig zu erscheinen. „Tough enough“ von 1961, ein dynamischer Stomper, liefert indes beinahe hellseherisch einen Vorgeschmack auf den „Hamburg“-Sound der Fab Four, dem sich wenig später die komplette Szene unterwerfen sollte. Soundtechnisch ist die Bear Family-Restaurierung überwältigend, selten klangen diese Aufnahmen druckvoller, das Mastering hat hier dem ausnahmslos spitzenmäßigen Material zusätzlich „Pfeffer“ gegeben, und im Zusammenspiel mit den üblichen Labelstandards (Packaging, Linernotes, Bilder und Sequencing) liegt hier der mit Abstand beste Teil der Serie vor.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #171 Dezember 2023/Januar 2024 2023 und Gereon Helmer