Foto

CINEMA PURGATORIO

Alan Moore, Kevin O’Neill

Wenn es beim Ruhestandsentschluss von Alan Moore bleibt, wird der Sammelband „Cinema Purgatorio“ – mit zwischen 2016 und 2019 bei Avatar erschienenen Einzelgeschichten – die letzte große Comicveröffentlichung, das Vermächtnis des Meisters. 18 Storys, die sich in der goldenen Zeit der Hollywood-Ära tummeln und verschiedene Filmgenres beziehungsweise Klassiker abhandeln, die nicht wie erwartet ablaufen. Eine Stummfilmklamotte endet in einem Massaker, die Marx Brothers interpretieren die Warner Brothers-Geschichte auf ihre Weise, und King Kong reflektiert die Lebenstragödie seines Erfinders. Sandalenfilm, Western, Horror, Animationsfilm, Drama, Thriller, alle kommen sie zum Zug, natürlich in der ganz eigenen Sichtweise von Alan Moore. Hervorragend umgesetzt von seinem langjährigen Partner in Crime Kevin O’Neill, der die Gelegenheit nutzt, um seine zeichnerische Bandbreite auszuleben und mit dem Stift zu zitieren, so dass man gut und gerne auf ein halbes Dutzend Zeichner tippen würde. Zu jeder Story gibt es einen umfangreichen Appendix mit Erklärung der Referenzen, Querverweise und Zitate, die man lesen kann, um noch tiefer eintauchen zu können. Das braucht es nicht, um die Comics zu genießen, aber es hilft ungemein, um zu verstehen, wie detailverliebt Moore seine Geschichten schreibt. Der Begriff „großes Kino“ bietet sich an, zumal das Ganze in Häppchen genossen werden kann, wenn man sich die achtseitigen Storys gut einteilt, von denen je zwei Seiten den gemeinsamen Rahmen einnehmen. Eine Frau, die man nur aus der Ich-Perspektive wahrnimmt, sieht sich alle Filme in einem heruntergekommenen Kino an. Zum Abschluss noch einmal den Meister in erzählerischer Höchstform erleben? Unbedingt!