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CHINA GIRL

Aufgrund des Covers und des Titels könnte man hier schlimmsten 80er Jahre Teenie-Schrott vermuten, schon alleine wegen der Assoziation mit Bowies glattgebügeltem Cover von Iggy Pops Song „China girl“ (den der damals übrigens nur aufnahm, um Pop finanziell zu unterstützen).

Dort heißt es: „I’m feelin’ tragic like I’m Marlon Brando. When I look at my China Girl. I could pretend that nothing really meant too much. When I look at my China Girl.“ Und man möchte nicht ganz ausschließen, dass der Songtext einen Einfluss auf Regisseur Abel Ferrara und Drehbuchautor Nicholas St.

John hatte, mit dem Ferrara bis Mitte der Neunziger zusammenarbeitete und in dieser Zeit auch seine besten Filme drehte. Brodelndes, kontroverses Kino vor der Kulisse von New York wie THE ADDICTION, KING OF NEW YORK, FEAR CITY, MS.

45 oder THE DRILLER KILLER, wobei Ferraras unerreichtes Meisterwerk BAD LIEUTENANT seltsamerweise nicht aus der Feder von St. John stammte. Heute dreht der Mann ja leider nur noch unerträglichen Stuss, sein Lieblingsfilm soll allerdings nach wie vor CHINA GIRL sein, eine moderne Version von „Romeo und Julia“.

Davon gibt es ja leider einige, aber Ferrara verzichtet glücklicherweise auf Werktreue und Shakespeare-Verse. Stattdessen gibt es hier eine düster-romantische Teenager-Liebesgeschichte mit WEST SIDE STORY- und MEAN STREETS-Anklängen inmitten der Bandenkriege von Little Italy und Chinatown, geprägt von unüberbrückbaren ethnischen Konflikten.

Michael Ciminos IM JAHR DES DRACHEN von 1985 kommt einem dabei auch mehrmals in den Sinn. Als die Chinesin Tye und der Italiener Tony das erste Mal in einer recht fürchterlichen Disco-Sequenz aufeinandertreffen, ist man als Zuschauer noch etwas unsicher, ob man wirklich weiterschauen möchte, aber bei der anschließenden Jagd durch New Yorker Hinterhöfe über mit Neonlicht beleuchtete Pfützen wird klar, dass das hier kein typischer Teenager-Quark der Achtziger ist.

Dafür eine tragische Liebesgeschichte, zerstört durch Kämpfe um Ehre und Tradition, die Ferrara erstaunlich konsequent ohne Happy End zu Ende bringt, und in der sehr emotionale Momente von drastischen Gewalteruptionen abgelöst werden.

Beschönigt wird von Ferrara dabei nichts, von dick aufgetragenem Sozialkitsch keine Spur, auch wenn er die Kulisse von Little Italy und Chinatown gekonnt stilistisch zu veredeln weiß, die dennoch nichts von ihrer authentischen Atmosphäre verliert.

Ein sehr schöner und gelungener, aber auch leider oft übersehener Film im Gesamtwerk von Ferrara, der höchstens unter seiner knappen Spielzeit leidet, durch die Charaktere und Story unvollständig ausgearbeitet wirken.

Sicherlich bedingt durch den Konflikt, dass die Produktionsfirma Vestron ein noch halbwegs kommerzielles Produkt von Ferrara haben wollte. Mit etwas mehr epischer Breite wäre CHINA GIRL sicherlich noch besser geworden, als er in diesem Zustand immer noch ist.

Endlich gibt es den Film auch mal in vernünftiger Qualität auf DVD, ungekürzt und im richtigen Bildformat, denn die bisherigen Vollbild-Versionen schadeten doch recht stark den schön arrangierten Bildkompositionen.