Immer wieder erstaunt mich, wie viele Punkbands England in den späten Siebzigern hervorgebracht hat, und wie viele davon heute fast völlig in Vergessenheit geraten sind. Zu denen gehören auch CHARGE aus London, die von 1977 bis 1983 existierten und 1980 nach ein paar Auftritten in Deutschland über das Münchner Label Trikont eine Liveplatte veröffentlichten - erstaunlicherweise konnte die Band in London kaum mal mehr als 50 Leute ziehen, spielte hierzulande aber vor hunderten Punks.
Frontmann der Band war Stuart Lunn alias Stu P Didiot, der sowohl musikalisch wie auch bei den düsteren Texten das Steuer in der Hand hielt, und der mit seinem Ausstieg 1983 auch das Ende der Band besiegelte, die danach noch unter dem Namen FIREWORKS eine Weile weitermachte.
Mit "Perfection", 1982 erschienen auf Karma Records, nahm die Band ihr erstes und einziges Studioalbum auf, dem neben der "Caged And Staged"-Live-LP noch drei 7"-Singles vorangegangen waren.
Auf dieser CD sind die Songs dieser 7"s nebst denen des Albums sowie die der dazu parallel erschienenen 7" enthalten, man hat also eine nahezu komplette Diskografie in den Händen, die ergänzt wird durch ein großes, 18-seitiges Faltbooklet mit reichlich Fotos, Abbildungen der Original-Textblätter sowie eine ausführliche, sehr gut recherchierte Bandhistory.
CHARGE, das war eine außergewöhnliche Band jenseits der 77-Klischees, eine Band mit einem düsteren, halligen Sound, die so was wie das Bindeglied darstellt zum düsteren Goth/Wave-Rock der frühen Achtziger - ein Eindruck, zu dem auf jeden Fall das ungewöhnliche, oft tribalistisch anmutende Schlagzeugspiel und die fiebrigen Gitarren beitragen.
Tragisch: Frontmann Stu, der in den letzten Jahren in den USA mit Sab Grey von IRON CROSS Musik machte, starb im Juli 2003 an Krebs - unter stu-p-didiot.com haben ihm seine Frau und seine Freunde ein Denkmal gesetzt.
Eine exzellente CD einer wirklich außergewöhnlichen Band, die es neu zu entdecken gilt. (58:50) (8)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #66 Juni/Juli 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #55 Juni/Juli/August 2004 und Tim Tilgner