BERÜHRE NICHT DIE WEISSE FRAU

Ein Anachronismus ist bekanntlich, wenn Dinge fälschlicherweise einer Epoche zugehörig dargestellt werden, in der sie nicht mehr oder noch nicht existieren. Marco Ferreri, der Enfant terrible des europäischen Kinos der 60er und 70er, hat daraus direkt einen kompletten Film gemacht, und mit Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi, Michel Piccoli und Philippe Noiret noch mal die Traumbesetzung seines im Jahr zuvor entstandenen Meisterwerks DAS GROSSE FRESSEN vereint.

TOUCHE PAS À LA FEMME BLANCHE erreicht zwar nicht ganz die Klasse des Vorgängers LA GRANDE BOUFFE, ist aber eine köstliche intellektuelle Farce, die sowohl scharfsinniger politischer Kommentar, als auch einfach nur völlig plemplem ist, und in den USA niemals offiziell erschienen ist.

Warum, liegt auf der Hand, denn Ferreris „Western“ beschäftigt sich mit General Custers Niederlage in der Schlacht am Little Bighorn im Jahr 1876, was er mit Verweisen auf Richard Nixon – dessen Bild ständig irgendwo im Hintergrund auftaucht – und den Vietnam-Krieg vermischt.

Seine als Soldaten und Indianer verkleideten Schauspieler lässt er diesen ironischen, oft aber einfach nur albernen Angriff auf die Historie der USA inmitten der Watergate-Ära auf einer riesigen Baustelle inmitten von Paris nachspielen, während um sie herum das alltägliche Leben der französischen Großstadt weiterläuft.

Marcello Mastroianni als Custer und Michel Piccoli als Buffalo Bill dürfen sich herrlich exzentrisch austoben, wobei auch Tognazzi als ständig erniedrigter indianischer Sidekick von Custer zu großer Form aufläuft und von diesem ständig den titelgebenden Satz zu hören bekommt: Fass die weiße Frau nicht an! Zusammen mit DAS WIEGENLIED VOM TOTSCHLAG und LITTLE BIG MAN kann man mit BERÜHRE NICHT DIE WEISSE FRAU auf jeden Fall einen wunderbaren Abend mit Themenschwerpunkt Vietnamkrieg und Vernichtung der amerikanischen Ureinwohner gestalten, zumal auch Ferreris Film mit einem schönen Schlussmassaker aufwartet.

Die Arthaus-DVD ist tadellos und auch die deutsche Synchro kann man sich gut geben, im Gegensatz zu DAS GROSSE FRESSEN, wo Rainer Brandt in Sachen ordinärer Sprüche alle Register zog. Und das wunderbare alte Filmplakat, das die DVD schmückt, wurde übrigens von Moebius bzw.

Jean Giraud gestaltet.