AMERICAN ARTIFACT – The Rise Of American Rock Poster Art

Merle Becker

Erst in den letzten paar Jahren hat sich in Deutschland eine kleine Szene von Siebdruckposter-Aktivisten entwickelt, die mit den recht simplen Mitteln des Screenprintings in Kleinauflagen meist sehr schöne Konzertposter nicht nur selbst entwerfen, sondern auch oft gleich selbst drucken.

In den USA existiert diese Tradition schon seit den seligen Hippie-Zeiten, als in San Francisco die Haight/Ashbury-Kreuzung Zentrum der Alternativszene war und Bands wie GRATEFUL DEAD ihre Konzerte mit immer grelleren, psychedelischen Postern bewarben.

Und wie einer der interviewten Künstler von damals in diesem Film erzählt, machte man damit seinerzeit bewusst alles falsch, was über gute Plakatwerbung gelehrt wurde. Klar erkennbare Motive? Deutlich lesbare Schrift? Nur Farben, die sich nicht beißen? Alles für „Normalos“ – es ging darum, Aufmerksamkeit zu erregen, und so entstanden die knallbunten Neonfarbenposter, deren Originale heute zu Preisen gehandelt werden, die schon in den Bereich von Galeriekunst hineinreichen.

Genau da aber, so wird in den Interviews deutlich, die Filmemacherin Merle Becker für ihre 90-Minuten-Doku geführt hat, woll(t)en all die hier gefeatureten Grafiker nie hin, denn abgehobene, universitäre „feine“ Kunst war für sie nie erstrebenswert.

Das hat viel damit zu tun, dass Leute wie Tara McPherson, Derek Hess, COOP, Chuck Sperry, Winston Smith oder Frank Kozik mit den Idealen der Punkszene im Kopf aufgewachsen sind, meist nach simplen Wegen suchten, ihre Bilder in die Welt zu bringen und damit – Kozik gilt hier als Pionier – auf ein smartes Geschäftsmodell stießen: „Liebe Band, ich mache dir umsonst ein schönes Postermotiv und gebe dir auch einige der limitierten Posterdrucke ab, aber den Rest darf ich auf meine Rechnung verkaufen.“ Nach diesem Muster arbeiten heute weltweit unzählige Künstler, wie man als Besucher der Website gigposters.com weiß, und auch wenn da längst nicht alles Gold ist, was glänzt, so ist man doch immer wieder von der Vielfältigkeit der Stile und Einflüsse beeindruckt, muss zugeben, dass einen diese Art von Kunst mehr anspricht als vieles, was in irgendwelchen Museen hängt.

Genau so ging es auch Merle Becker, der mit „American Artifact“ ein exzellentes Portrait der wichtigsten Erfinder jener Kunstrichtung sowie ihrer Kinder und Enkel und heutigen Protagonisten geglückt ist.

Ein sehenswerter Film, der auf einer zweiten DVD durch reichlich Bonusmaterial ergänzt wird.