ALLES NUR GETRÄUMT

Hollow Skai

Der Titel dieses Buches führt etwas in die Irre: Das hier ist kein Schmöker für Menschen, die in Elektronikmärkten NDW-Superhits-CDs kaufen, sondern sowas wie eine geraffte Geschichte der frühen deutschen Punk-Szene unter besonderer Berücksichtigung der Weiterentwicklung eines Teils dieser zu NDW und der anschließenden Komplettausbeutung und Vernichtung durch die Musikindustrie.

Vor ein paar Ausgaben wurde Hollow Skai im Ox interviewt – über sein Leben als Mitgründer des Hannoveraner Punk-Labels No Fun, sein Leben als Journalist und Autor. Unlängst wurde dann auch seine Anfang der Achtziger veröffentlichte Uni-Arbeit über Punk neu aufgelegt, und irgendwie wunderte ich mich ja doch, warum der Mann, der so viel weiß und auch zu allem ein fundierte Meinung hat, nicht schon längst seine Sicht der Dinge in Sachen Punk in der BRD und der Weiterentwicklung zur Neuen Deutschen Welle kundgetan hat.

Nun, jetzt hat er: Auf 250 Seiten erzählt Hollow Skai als Dabeigewesener von den ersten Zuckungen des Punk in Deutschland, von empörten Spiegel-Titelstorys, vom Hass linker Spießer auf die Punks, von frühen Versuchen der Musikindustrie, Punk kommerziell auszubeuten (BIG BALLS, STRASSENJUNGS), der Selbstorganisation einer kleinen, auf ein paar Städte konzentrierten Szene (Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Hannover), von der unglaublichen Kreativität, die aus Punk geboren wurde und die zu Bands wie EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, DER PLAN, DAF, FEHLFARBEN etc.

führte. Den Begriff „Neue Deutsche Welle“ mochte damals schon keiner, doch mit den einschlägig bekannten Bands, von denen nur wenige eine echte Punk-Vergangenheit hatten, ging der Wahnsinn dann so richtig los, und bevor die Beteiligten so richtig merkten, was da passierte, war die ganze Sache 1982/83 auch schon wieder vorbei.

Ein Strohfeuer, könnte man sagen, aber Skai zeigt auf, welche Auswirkungen die Entwicklungen im Vorfeld hatten, wie die Verarschung vieler Bands durch die Majorlabels das Musikbusiness veränderte – bis heute.

Deshalb ist „Alles nur geträumt“ ein vorzügliches,nicht nüchtern-journalistisches Buch, dessen Autor auch mal polemisch wird, der aus eigener Erinnerung erzählt, unterfüttert mit Interview-Passagen der damaligen Protagonisten.

Unbedingt lesenswert!