In der Punk- und Hardcore-Szene wird immer viel über D.I.Y- und Selbstbestimmtheit geredet, doch D.I.Y. bedeutet vielfach ja nur, dass irgendein Einzelkämpfer und Überzeugungstäter sein Ding macht. Was meist auf der Strecke bleibt, ist das selbstorganisierte, kollektive Arbeiten - außer im Konzertveranstaltungsbereich findet sich das kaum noch, und in Deutschland dürfte die Anzahl kommerzieller Veranstalter mittlerweile die Menge der D.I.Y.-Kollektive übersteigen.
Auch in den USA ist der Verein 924 Gilman Street ein recht einsamer Leuchtturm in einer wüsten Landschaft. Gegründet wurde er 1986 in Berkeley, jener Universitätsstadt auf der anderen Seite der Bucht von San Francisco, von Leuten aus dem Umfeld des Maximumrocknroll-Fanzines und Lookout Records, und die Rahmenbedingungen waren klar: Zutritt für Menschen unter 21 (sonst ein großes Problem in den USA), kein Alkohol, keine Drogen, keine Gewalt - und zudem sollte die anfallende Arbeit nur von Freiwilligen ohne jede Entlohnung erledigt werden, mit Zutritt nur für Mitglieder, wobei der Jahresbeitrag mit $2 im Jahr sehr günstig ist.
Mittlerweile existiert "Gilman" seit 22 Jahren, tausende Bands aus aller Welt haben an den Freitagen und Samstagen seit damals dort gespielt, für Bands wie GREEN DAY, RANCID, OFFSPRING waren sie zu Beginn eine wichtige Homebase (heute dürfen sie dort allerdings nicht mehr spielen, zu den Gilman-Prinzipien gehört auch "No major label bands"), und ansonsten dürfte so ziemlich jede kleine und große Punkband, die nicht durch das Raster fällt, mal dort gespielt haben.
Klingt wie ein Paradies? Naja, wenn man sich die Aussagen der "Volunteers" so anhört, die von Filmemacher Jack Curran interviewt wurden, ist es schon hart, für Gilman zu arbeiten - sich selbst zu organisieren ist schwerer, als man denkt.
Ansonsten kommen Bands zu Wort, die mal da gespielt haben (inklusive RANCID und OFFSPRING), Jesse Michaels von OPERATION IVY, Ian von FUGAZI, Dale und Jocelyn von CAPITOL PUNISHMENT, und, und, und.
Unterbrochen werden die Interviewparts immer wieder von Livemitschnitten (unter anderem AGAINST ME!, Ted Leo, SCREECHING WEASEL, CITIZEN FISH, PANSY DIVISION ...), wobei die jedoch meist soundmäßig so blechern sind, dass man daran nicht viel Spaß hat.
Alles in allem eine Mut machende Doku über eine der wichtigsten Stützen für die US-Punk-Szene - "Music kicked my ass" sagt Ian MacKaye dazu, und es sind wohl hunderte, ja tausende Menschen, denen Gilman geholfen hat, ihr Leben etwas anders zu leben, als es dem Mainstream entspricht.
Und: Die DVD bitte kaufen, nicht irgendwo im Netz klauen, denn der Gewinn geht zum Teil an den "hungernden" Club. (8)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #80 Oktober/November 2008 und Joachim Hiller