Teil 6: Im Zweifel kann man immer noch damit kochen
Willkommen zum letzten regulären Teil dieser kleinen Reihe, in dem wir ein paar lose Enden verknoten und ein längst überfälliges Kapitel behandeln. Das „regulär“ bedeutet übrigens, dass eine Zugabe folgt und es nicht ganz ungewiss ist, ob nicht nach Lust und Laune vielleicht irgendwann dann doch noch die eine oder andere Folge Gestalt annimmt.
Im letzten Teil wurde ein Tropfen eines „unabhängigen Abfüllers“ angepriesen, bleibt die Frage, was das überhaupt ist. Unabhängige Abfüller brennen nicht selber, sie kaufen Kontingente verschiedener Brennereien auf oder aber einzelne Fässer von anderen „Gewürzgroßhändlern“, um sie unter ihrem eigenen Namen abzufüllen, mit dem sie sich über Jahre einen guten Ruf erarbeitet haben. Vergleichbar ist das oft mit einem guten Plattenlabel, auf dem eine Band gelandet ist. Die bekanntesten unabhängigen Abfüller verwenden in aller Regel hochwertige Fässer, und es lohnt sich, einen Bunnahabhain, Caol Ila, Clynelish, Auchentoshan oder Strathisla zu probieren, der von Signatory, Gordon & MacPhail, Cadenhead und etlichen anderen kleineren Abfüllern verfügbar gemacht wurde.
Mit etwas Gespür findet man hier Überraschungen, die sonst nie in den Handel gekommen wären, sowie Experimente und „Unfälle“, mit denen die Destillen gar nicht erst an den breiten Markt gegangen sind. Außerdem sind diese oft wesentlich günstiger als die eigenen Abfüllungen der Brennereien derselben Jahrgänge, sofern es sie denn überhaupt gibt. Bei manchen Whiskys ist es fast ein Ritterschlag, wie auf einem coolen Label nebenher eine limitierte 7“ zu veröffentlichen, die aufgrund der kleinen Auflage schnell zu einem gesuchten Kleinod wird. Die Sorge, dass es sich um Ausschuss handeln könnte, ist unbegründet, denn hier haben immer zwei etwas zu verlieren: Der unabhängige Abfüller seinen guten Namen und auch die Brennerei wird sich hüten minderwertige Plörre in einem gammligen Fass zu veräußern, da auch ihr Name immer auf der Flasche steht.
Dann gibt es da noch die ebenfalls beim letzten Mal vorgestellten No Names, auf denen irgendein Kunstname von einer fiktiven Destille prangt, die nicht existiert. Natürlich stecken auch hier die üblichen Brennereien dahinter und nicht irgendwelche Moonshines, die in ländlichen Gegenden der USA von Bruder und Schwester fabriziert werden, um sich über die Tatsache hinwegzutrösten, dass die gemeinsamen Kinder irgendwie alle kleine „Besonderheiten“ aufweisen. No Names sind meist jüngere Abfüllungen, die nicht unbedingt schlecht sein müssen, aber wie zu viel gepresstes Vinyl als Overstock auf den Markt geworfen werden, um sich nicht selber mit einer günstigeren Variante die eigene Kundschaft zu nehmen. Bei den limitierten Abfüllungen, die über den einen oder anderen Discounter einmalig angeboten werden, gibt es weit mehr Überraschungen und Spannendes zu entdecken als bei den namenlosen Brüdern, die permanent im Regal von Kaufland und anderen Ketten stehen.
Whisky und Rendite
Wer Whisky nur in seinem „Wert“ bemisst, führt auch Buch über die Preise, die er mit seiner Plattensammlung erzielen kann. Die Musik darauf, die Kreativität und der Aufwand, der dahinter steckt, bedeutet ihm letztendlich nichts. Natürlich gibt es auch bei Whisky Sammlernerds, aber, was noch viel schlimmer ist, es gibt Menschen, die Whisky als Wertanlage kaufen. Das hat ganz einfache Gründe, denn nirgends sonst kann man mit relativ wenig Fachwissen innerhalb kürzester Zeit eine derart hohe Rendite einfahren. Allerdings sind darunter kaum welche in der Preisrange zu finden, in der wir uns hier bewegen. Gehypete Destillen wie Ardbeg, die jedes Jahr eine limitierte Sonderabfüllung auf den Markt werfen, bei der du vorher nicht weißt, ob sie überhaupt schmeckt, oder als Sammlerstücke konzipierte Abfüllungen von Highland Park in extrovertierter Umverpackung sind sehr schnell vergriffen und lassen sich bereits kurz nach Ausgabezeitpunkt mit beträchtlichem Plus an Zuspätgekommene und Neureiche weiterverkaufen.
Wer mehr Kleingeld in der Tasche hat, legt das Geld in Abfüllungen geschlossener Destillen wie Littlemill oder Port Ellen an, die langfristig immer begehrter werden, weil es manche Leute gibt, die das Zeug tatsächlich trinken und damit die ohnehin schon raren Ressourcen weiter verknappen. Solche Leute spekulieren auch ohne mit der Wimper zu zucken mit Getreide oder Trinkwasser, und ich muss wohl nicht extra betonen, was ich davon halte. Meine Lieblingsgeschichte hier: Der stinkreiche Chinese, der in der Ardbeg-Brennerei für einen mittleren fünfstelligen Pfundbetrag kistenweise einkaufte und vom „1813“ auch das letzte Ausstellungsstück haben wollte. Der Hinweis, dass sich in dieser Display-Warenprobe kein Whisky, sondern lediglich Tee befinden würde, ignorierte er mehrfach mit dem Ausspruch „Iwantatbottle“! Ich hätte ihm das Ding verkauft, wenn er es doch so dringend haben wollte. Stil und Geschmack haben nichts mit Geld zu tun, auch wenn das oft fälschlich vermutet wird. An dieser Stelle sei der Film „Angels’ Share“ empfohlen.
Gibt es etwas Schlimmeres als günstig eingekaufter mieser Whisky, den du nicht trinken magst, der dafür langsam aber sicher einstaubt und Platz verbraucht, den du besser verwenden könntest? Definitiv! Teurer Whisky, den du nicht einmal deinen Gästen anbieten willst, ohne sie zu beleidigen. Miese Platten sollte man weiterverkaufen, aber mach das mal mit einer offenen Flasche aus dem unteren Preissegment. Du hast also in deiner Gier Mist gekauft, der eindimensional schmeckt? Kein Problem. Du kannst dich wenigstens am „Blenden“ versuchen. Das ist im Grunde wie Kochen. Du hast eine Zutat, sagen wir eine Kartoffel, die für sich alleine eben nur nach Kartoffel schmeckt. Mit etwas Rahm, ein paar Gartenkräutern, die du alleine auch nicht unbedingt essen würdest, lässt sich mit ein wenig Geschick eine hervorragende Mahlzeit zaubern. Im Grunde machen die Masterblender der großen Marken ja nichts anders, als verschiedene Zutaten zu verheiraten. Je einmal rauchig, mild und fruchtig, schon hast du ein vielschichtiges Getränk. Was kann schon passieren? Im schlimmsten Fall kippst du es in die Rosen deines Arschlochnachbarn, die mögen das. Ein offenes Glas mit Whisky ist übrigens eine exzellente Fruchtfliegenfalle, und sie sterben wahrscheinlich einen glücklichen Tod. Honey, Honey, Honey.
Connemara – Original
Iren sind der Pop-Punk unter den Spirits, denn irische Whiskys werden bis auf wenige Ausnahmen dreifach destilliert, was sie in der Regel sehr rund und gefällig macht, auf der anderen Seite aber auch schnell langweilig werden lässt. Es gibt Gründe, warum es in nahezu jeder Kneipe einen Jameson (einen Blend) gibt, und dafür, warum manche Menschen einen Big Mac für eine vollwertige Mahlzeit halten. Der Connemara ist ein Exot, er wird nur zweifach destilliert und ist als einziger Ire getorft. Ein preiswerter Geselle mit viel Frucht, Honignoten (Nase und Gaumen) und einem verhältnismäßig langen Abgang aufgrund des Torfs, der für viele zum Einstieg in die große weite Welt der Islays werden kann. Ein perfekter Begleiter, um sich in einem tiefen Lehnsessel den Tönen von Amy Winehouse hinzugeben, die auch mit Cocktails oder Rum hervorragend harmoniert. Ebenfalls gut: der Sherry Finish.
Bowmore – Small Batch & Legend
Für überforderte Impulskäufer haben die Designer der Bowmore-Destillate die wichtigsten Geschmackseckpfeiler vorne auf die Packung gedruckt. Vom eben erwähnten irischen Kollegen bis zu einem normalen Bowmore ist es nur ein kleiner, aber feiner Schritt, sollte man meinen, denn auch hier finden sich Zitrone, Honignoten und Torf, nur hat der Bowmore mehr Tiefgang und Ecken. Zum Ergründen der weiteren Noten wie Schokolade, Meersalz, Vanille und anderer Feinheiten rund um das reichhaltige Sortiment dieser Destille empfehle ich das BLACK SABBATH-Frühwerk mit Ozzy, als er noch ohne Aufsicht auf die Straße durfte. Ein spannender Gang durch die Musikgeschichte, der mit einem angemessenen Drink beschritten werden sollte. Sabbath und Bier? Du machst Witze. Sekt, Wasser, Limo? Bands wie Sabbath waren der Auslöser für diese Reihe.
Aberfeldy – 12 Jahre
SHELLAC gehören ebenfalls zu den Bands, die etwas Besseres verdient haben als billige lauwarme Cervisia. Dieser spätsommerliche Aberfeldy ist das perfekte Gegenstück zu den durchweg lebensbejahenden Texten von Steve Albini und in der näheren Wahl, wenn es darum geht, unerfahrene Menschen mittels Gratisproben langsam an härteren Stoff heranzuführen. In der Nase sehr lieblich mit Honig, Kirschen und gehaltvollem Früchtekuchen (den man nie isst), läuft er ganz zart und geschmeidig den Gaumen hinunter, um dann ganz überraschend warm im Mund mit Zitronennoten und Honig zu explodieren. Der lange Abgang ist für einen fruchtigen Vertreter etwas ungewöhnlich. Hier schlägt er sich im Vergleich zu den sonst eher torflastigen Kollegen exzellent. Ein Whisky, den man vorurteilsbehafteten Zweiflern problemlos zum Anfixen vorsetzen kann, dazu sehr schön verpackt.