Stephan Mahler (SLIME, TORPEDO MOSKAU, ANGESCHISSEN, KOMMANDO SONNE-NMILCH etc.)

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My Little Drummerboy – Folge 16

Es ist mir eine besondere Freude, in dieser Ausgabe den Hamburger Stephan Mahler als Drummerboy im Ox begrüßen zu dürfen, dessen unglaubliche Lockerheit und Energie schon auf der zweiten und dritten SLIME-LP so deutlich hervorstach, dass man in den Achtzigern direkt vom Stuhl gerissen wurde. Wahrscheinlich gibt es auch kaum einen Leser dieses Heftes, der nicht mindestens die eine oder andere Platte in seinem Schrank stehen hat, auf der Stephan Mahler am Schlagzeug sitzt oder saß, denn viele seiner Bands gehören einfach zum Pflichtprogramm des Punkrock. Wer also seine Hausaufgaben anständig gemacht hat, ist sicherlich schon frühzeitig über den Namen Mahler gestolpert. Neben den oben genannten Bands spielte er auch bei SCREAMER, ARM, GEORGE & MARTHA, DAS MOOR und vielen weiteren Projekten, die aufzuzählen hier wohl den Rahmen sprengen würde. Viele Andockpunkte also, sich mit Stephan über seine große Leidenschaft zu unterhalten. Und nein, über SLIME verlieren wir an dieser Stelle kein Wort.

Stephan, hast du schon als Kleinkind auf den Töpfen deiner Mutter rumgetrommelt oder hast du erst später deine Leidenschaft für das Trommeln entdeckt?


Es ist tatsächlich so, dass ich mir verschieden große, runde Waschpulverpakete von meiner Mutter zu Trommeln umfunktioniert habe. Damals gab es noch so richtig große mit bis zu 40 Zentimetern Durchmesser, auf denen ich wie ein Irrer mit abgesägten Stöcken herumgehämmert habe. Das war eine Zeit lang super, aber da ich durch diese Variante tonal relativ eingeschränkt war, erschöpfte sich mein Enthusiasmus rasch etwas. Ich habe dann auch – etwas später – lieber mit der Gitarre angefangen. Zum Schlagzeug bin ich, trotz meiner Affinität dazu, sozusagen erst aus der Not heraus gekommen: Meine damalige Band SCREAMER, in der ich – zusammen mit Christian Mevs – Gitarre spielte, suchte lange vergeblich nach einem neuen Schlagzeuger, nachdem unser alter Drummer ausgestiegen war. Irgendwann habe ich gesagt: Okay, damit wir weiterspielen können, spiele ich jetzt Schlagzeug – und hab mich drangesetzt. Aber ich wusste auch, dass ich das konnte. Das war Anfang 1980.

Was brachte dich schlussendlich zu der Überzeugung, dass Trommeln genau dein Ding war und wie wurdest du zu dem „Besessenen“, der die Nächte im Übungsraum verbrachte, nur um genug üben zu können?

Diese Möglichkeit, sich mit totalem Körpereinsatz musikalisch auszudrücken – das ging für mich nur am Schlagzeug. Es ging um Energie! Ich hatte – so glaube ich –nur bei meiner Band ARM eine wirkliche musikalische Vision. Das lag auch an der engen Verbindung zu dem damaligen Gitarristen. Ansonsten hat sich alles immer so ergeben, wir haben das entwickelt, was aus uns herauskam und wozu wir technisch in der Lage waren.

Hast du in den Anfangstagen bestimmte Platten nachgespielt, oder einfach alleine vor dich hin getrommelt?

Ganz viel zu Platten gespielt, außerdem habe ich mir Mixtapes aufgenommen und dann dazu gespielt. Nicht nur in den Anfangstagen. Das mach mache ich immer noch! Es hängt auch von den Trommlern der jeweiligen Bands ab, ob sich die Aufnahmen zum „Dazuspielen“ eignen, der Beat muss einfach ganz klar sein. Super waren immer RAMONES. Da gingen dann immer schnell die 4/4 durch, und dazu habe ich dann gern in „meinem Stil“ gespielt beziehungsweise frei und wie ich wollte. Nach dem Motto: Wie viele Wirbel bekomme ich in „Rockaway Beach“ unter? Gern auch zu DESCENDENTS und HYPNOTICS und später QUEENS OF THE STONE AGE. Klasse fand ich aber auch für diesen Zweck die erste IDEAL- oder die erste NINA HAGEN BAND-LP. Beides nicht unbedingt meine Lieblingsbands, aber trotzdem super, eben weil es technisch anspruchsvoller war und weil die Schlagzeuger da einfach supergeil waren.

Gibt es einen bestimmten Aspekt beim Trommeln, den du als Stephan-Mahler-Stil bezeichnen würdest?

Ich glaube, ich habe Schlagzeug eher in einem klavier- oder gitarrenmäßigen Verständnis gespielt. Niemals als pure Rhythmusgebung, sondern eher als „Lead“-Instrument, und immer mit voller Kraft, 120% bei vollem Körpereinsatz. Meine Liebe zu den schnellen Achteln auf der HiHat kommt im Prinzip auch daher. So sollte es wirken: Voll-Stakkato und den Zuhörern die volle Kraft um die Ohren hauen.

Nun spielst du ja unbestritten die schnellste rechte Hand beziehungsweise die schnellsten einhändigen Achtel im europäischen Raum. Gibt es da ein Geheimrezept und machst du da ein bestimmtes Training?

Wichtig ist, dass mit jeder Armbewegung locker aus dem Handgelenk vier Schläge auf das Becken kommen, und dass der Anschlag gleichmäßig und kraftvoll kommt. Die Geschwindigkeit hat sich so entwickelt und ist einfach eine Frage der Kraft, der Technik und der Übung. Auf jeden Fall ist das Ganze unheimlich anstrengend. Es ist auch eine andere Technik als zum Beispiel die von Marky Ramone damals, dessen Art und Weise an Lockerheit und gleichzeitigem Speed mir immer ein Rätsel blieb.

Als Punkrocker hat man ja keine Idole. Gab es in deinen Jugendtagen trotzdem Drummer, denen du nachgeeifert hast? Und welche Kollegen sollte man sich heutzutage unbedingt mal angesehen/angehört haben?

Erst mal sehe ich das anders ... „Kill your Idols“ heißt ja: Finde heraus, wer du selbst bist, mache deine eigenen Erfahrungen und verwirkliche deinen eigenen Traum. Das ist die kreative Idee von Punk, als zwangsläufige Weiterentwicklung der absoluten Negation. Trotzdem: Johnny Rotten war Gott für mich, als ich 14 war! Ansonsten war Bill Stevenson von den DESCENDENTS schon eine große Inspiration für mich.

Du bist einer der wenigen Drummer, die auch Texte für ihre Bands schreiben. Wann hast du entdeckt, dass du dich nicht nur mit deinem Instrument, sondern auch mit Worten ausdrücken wolltest?

Wie gesagt, ich komme eigentlich von der Gitarre. Und meine ersten Texte habe ich 1977, da war ich 14, geschrieben, also von Anfang an. Mit 15 hatte ich meine erste Band, habe dort Bass gespielt und dann ging das auch schon los, dass ich meine ersten Stücke geschrieben habe. Ich glaube, zu komponieren und zu texten als künstlerischer Ausdruck, das ist unabhängig von dem Instrument, welches du spielst, sondern eher eine Frage des Bedürfnisses. Als Schlagzeuger hatte ich dann auch sozusagen immer das Glück, dass meine Kompositionen von genialen Gitarristen – wie zum Beispiel Elf – umgesetzt wurden.

Hast du mit deiner Erfahrung und deinen Fähigkeiten jemals daran gedacht, als Profi dein Geld zu verdienen, oder war das Trommeln für dich immer nur das schönste Hobby der Welt?

Obwohl ich phasenweise davon hätte leben können – Anfang bis Mitte der Neunziger –, war für mich immer klar: Die Musik und die damit verbundene Freiheit ist mir viel zu heilig, als dass ich diese irgendwelchen Erwartungen von außen oder gar „Erfordernissen des Marktes“ wegen riskieren oder aufgeben würde. Und heute schaue ich mich um und sehe diesen ganzen Revival-Wahnsinn, dieses Horrorkabinett von Rock-Opas, diese angestrengten „Geld-Verdien-Bestrebungen“ in die Tage gekommener Punks, und fühle mich bestätigt.

Du hast ja schon in sehr vielen verschiedenen Bands gespielt. Gibt es – abseits vom Punk – einen bestimmten Musikstil, den du gern noch mal ausprobieren würdest?

Aktuell würde ich am liebsten eine Punk/Rock’n’Roll-Band à la NIGHT MARCHERS starten, aber habe noch nicht die richtigen Leute dafür gefunden.