MIKE ALONSO (FLOGGING MOLLY, BANTAM ROOSTER, WINDS OF NEPTUNE ...)

Foto© by Christoph Lampert

My Little Drummer Boy Folge 74

Drummerboy dieser Ausgabe ist kein Geringerer als der großartige Mike Alonso, der in seiner bereits über vierzigjährigen Karriere bei unzähligen Bands am Schlagzeug gesessen hat und dabei von Bluesrock über Metal bis zu Stoner und Punk so ziemlich alles gespielt hat, was irgendwie mit Rockmusik zu tun hat. Mike ist ein unglaublich flexibler Drummer, der alle Stile beherrscht und dem Sound seiner jeweiligen Band stets das gewisse Etwas verleiht. Aktuell ist er mit FLOGGING MOLLY auf Tour und wir hatten das große Vergnügen, ihm beim Konzert in Magdeburg zu treffen.

Mike, hast du schon als kleiner Junge bei deinen Eltern zu Hause auf irgendwelchen Dingen herumgetrommelt?

Nein, eigentlich nicht, obwohl ich mich daran erinnere, dass ich schon sehr früh den Wunsch hatte, Schlagzeug zu spielen. Aber bei uns zu Hause durfte ich keinen Krach machen und darum habe ich zuerst in der Schule Trompete spielen und Notenlesen gelernt. Als ich zwölf Jahre alt war, hatte meine Großmutter ein Einsehen und kaufte mir mein erstes Schlagzeug. Heute bin ich 59 Jahre alt und habe seitdem nie mehr aufgehört, Schlagzeug zu spielen.

Wie kam es dazu, dass du unbedingt von der Trompete zum Schlagzeug wechseln wolltest?
Als Heranwachsender habe ich bei uns zu Hause am liebsten THE ROLLING STONES und THE BEATLES gehört und wenn ich ehrlich sein soll, ist Ringo Starr dafür verantwortlich, dass ich unbedingt Schlagzeug spielen wollte. Ich habe für ein paar Jahre wirklich gern Trompete gespielt, aber eigentlich wollte ich doch lieber Schlagzeug spielen. Meine Eltern waren nicht wirklich musikalisch und außer meinem Großvater, der Akkordeon spielte, konnte bei uns niemand ein Instrument. Meine Eltern hörten eigentlich nur so Easy-Listening Zeug, wie Herb Alpert und solche Dinge, aber glücklicherweise hatten sie auch ein paar Platten von den BEATLES und den MONKEES, die mir viel besser gefallen haben. So habe ich irgendwie meine Leidenschaft für das Trommeln entwickelt.

Was hat dich damals an Ringo Starr so begeistert?
Niemand spielt Schlagzeug wie Ringo Starr. Er ist wirklich komplett einzigartig. Er ist ein Linkshänder, der auf einem Rechtshänder Schlagzeug spielt und dadurch bringt er ganz verrückte Breaks, die sonst niemand hinbekommt. Ich habe mich immer gefragt, wie das eigentlich alles geht, was er da spielt. Er ist so ein gefühlvoller Drummer und offensichtlich einer der unterbewertetsten Schlagzeuger überhaupt. Ich selbst habe Ringo Starr zwar nie persönlich getroffen, aber Tatsache ist, dass mein Schlagzeuglehrer aus Highschool-Zeiten, Gregg Bissonette, heute der Schlagzeuger von Ringo Starrs Allstar-Band ist. Ein großartiger Typ, von den ich über die Jahre viele Dinge gelernt habe. Manchmal ist es schon verrückt, welche Wege das Schicksal einschlägt.

Hast du auf deinem ersten Schlagzeug nur für dich allein geübt oder auch Unterricht genommen?
Angefangen habe ich bei uns zu Hause im Keller, in dem ich mir einfach Kopfhörer aufgesetzt und versucht habe, die Platten meiner Eltern nachzuspielen. Manchmal habe ich mit Freunden zusammen gespielt, aber am Anfang habe ich doch sehr viel allein getrommelt. Ich hatte ein paar Unterrichtsstunden bei diversen Musikschulen, aber das war nicht so toll und ich bin irgendwann nicht mehr hingegangen. Wir wohnten in Warren, Michigan, einem Vorort von Detroit, aus dem auch Gregg Bissonette kam. Der gab damals Unterricht bei sich zu Hause im Keller und da meine Eltern ihn kannten, bin ich einfach mal hingegangen. Das war wirklich großartig, weil ich endlich richtig Schlagzeug spielen durfte und nicht immer nur Grundlagen lernen musste. Gregg Bissonette hat damals schon für Leute wie David Lee Roth, Joe Satriani oder SPINAL TAP getrommelt und wusste also wirklich wie kein Zweiter, worauf es beim Schlagzeugspielen ankommt. Er hat mich immer angespornt, weiterzumachen und besser zu werden, ohne jemals auf mich herabzusehen. Ich bin damals einmal in der Woche zu ihm zum Unterricht gegangen und konnte es kaum erwarten, bis die Woche wieder rum war. Das war damals eine sehr inspirierende Zeit mit ihm, weil wir nicht nur Grundlagen geübt haben, sondern auch immer viele Songs gespielt haben. Grundlagen sind zwar wichtig, aber als Teenager ist man davon doch schnell genervt und will lieber ganze Songs spielen.

Welche Platten hast du damals am liebsten gehört?
LED ZEPPELIN und DEEP PURPLE habe ich wirklich rauf und runter gehört, als ich begann, mich für Rockmusik zu interessieren. Die haben sich fest in meine DNA eingebrannt, aber eigentlich interessiere ich mich für sehr viele Arten von Musik. Sogar für Jazz und vieles mehr.

Wann hast du angefangen, in Bands zu spielen?
Auf der Highschool waren ein paar Kids, die dieselben Platten hörten wie ich, und wir fanden heraus, dass wir alle Instrumente spielten. Also haben wir einfach so eine Band gegründet und zunächst nur ein paar Coverversionen von unseren Lieblingssongs gespielt. Später kamen auch eigene Stücke dazu, aber die Band hat nicht lange gehalten. Wir spielten ein paar Shows in lokalen Clubs und das war es dann. Ich war damals 15, bin dann von Band zu Band gesprungen und 1988 nach Los Angeles umgezogen, wo ich zusammen mit Dave King in seiner damaligen Band KATMANDÜ gespielt habe. Ich kannte Dave schon aus seiner Zeit bei FASTWAY, als er mit „Fast“ Eddie Clarke zusammen spielte, und als KATMANDÜ dann einen neuen Schlagzeuger suchten, habe ich alles auf eine Karte gesetzt und bin mit Sack und Pack nach L.A. gezogen. Zu dieser Zeit war ich von der Musikszene in Detroit ziemlich angepisst. Alle Bands wollten nur Coversongs spielen, aber ich hatte keine Lust, immer in denselben Bars aufzutreten und die Songs anderer Leute nachzuspielen.

War dir damals schon klar, dass du professioneller Schlagzeuger werden wolltest?
Ja, ich glaube schon. Das ist alles, was ich immer tun wollte. Ich hatte mir damals ein besonders teures, neues Drumset gekauft und bin mit diesem Drumset nach L.A. gegangen, um bei verschiedenen Bands vorzuspielen. Bei KATMANDÜ habe ich dann den Zuschlag bekommen. Alle Jobs, die ich vorher gemacht habe, hatten zwar auch immer mit Musik zu tun, aber als Verkäufer in Plattenläden oder Musikshops habe ich immer nur dafür gearbeitet, die Miete zahlen zu können. Das war nicht wirklich die große Erfüllung. L.A. war also der Ort, wo man sein musste, wenn man es in der Musikbranche zu etwas bringen wollte. KATMANDÜ waren auch die erste Band, mit der ich wirklich auf Tour war. Wir spielten in England, Schottland und Wales und waren danach sogar in Japan unterwegs, was für mich natürlich besonders aufregend war.

In den Jahren danach hast du bei SPEEDBALL und BANTAM ROOSTER parallel gespielt.
Ja, das hat gut funktioniert, weil SPEEDBALL nicht besonders viel live gespielt haben und BANTAM ROOSTER damals einen Drummer suchten, der mit ihnen auf Tour gehen wollte. Zu dieser Zeit war ich auch noch bei einer Bluesrock-Band aus Toledo namens FIVE HORSE JOHNSON, die hauptsächlich sehr viel in Europa auf Tour waren. 2004 haben wir beim Crossroads Festival für VANILLA FUDGE eröffnet und der „WDR-Rockpalast“ hat unsere Show aufgezeichnet. Ich konnte das überhaupt nicht glauben und war so stolz, dass wir plötzlich im Fernsehen waren. Mit ELECTRIC SIX aus Detroit habe ich auch elf Jahre lang zusammen gespielt und wir waren viel in den Staaten und Europa unterwegs. Ich war also immer sehr beschäftigt und habe einfach nie aufgehört, Schlagzeug zu spielen.

Musstest du deinen Schlagzeugstil immer sehr an den Sound der jeweiligen Band anpassen, mit der du gerade unterwegs warst?
Ja schon, denn die Fans sollen ja schließlich die jeweiligen Songs vom Album noch wiedererkennen, wenn wir sie dann live spielen. Je nachdem mit welcher Band ich also gerade zusammenspiele, muss ich schon mehr oder weniger variabel sein, aber ich versuche natürlich immer ein bisschen von meinem eigenen Stil mit in die Songs einfließen zu lassen. Ich möchte ja die Stücke auch ein bisschen zu meinen eigenen machen.

Kannst du auch Aufnahmesessions im Tonstudio genießen?
Ich liebe es, im Studio neue Songs aufzunehmen! Wirklich. Das finde ich absolut großartig und habe überhaupt keine Probleme, mit dem Klick im Ohr zu spielen. Ich mag es sehr, herauszufinden welche Drumparts am besten zu einem Song passen, und dabei zu sein, wenn ein neues Album entsteht. Das ist immer wieder spannend, bei diesem Prozess dabei zu sein. Das letzte FLOGGING MOLLY-Album „Anthem“ haben wir mit Steve Albini in Chicago aufgenommen und das war eine absolut wunderbare Erfahrung. Ich musste alle Drumparts live, in einem Stück und ohne Klick im Ohr einspielen. Ich habe jeden Song ein paarmal gespielt und dann hat Steve die jeweils beste Aufnahme ausgesucht und war zufrieden. Ich war mit meinen Aufnahmen nach etwas mehr als einer Woche fertig und fand, dass ich sehr schnell war. Ich bin aber auch gern gut vorbereitet, wenn ich ins Studio gehe, so dass ich auch dieses Mal nur eine oder zwei Kleinigkeiten direkt vor Ort geändert habe, weil ich das Gefühl hatte, dass die neuen Parts besser zu den Songs passen.

Hast du in den Metalbands, in denen du warst, auch Doublebass gespielt?
Ja, bei KATMANDÜ habe ich zwei Bassdrums gespielt, aber auf Tour habe ich meistens nur ein Doppelpedal mitgenommen, damit ich nicht so viel schleppen musste. Ein Doppelpedal habe ich auch heute noch an meinen Drumset, aber ich benutze es kaum. Es würde nicht wirklich zu dem Sound von FLOGGING MOLLY passen, aber es gibt da diese eine Stelle, wo ich am Ende des Songs ein kleines Drumsolo habe, und da setze ich die Doppelfußmaschine gern ein.

Gibt es bei dir, bei den vielen Bands, in den du spielst und gespielt hast, eine bestimmte musikalische Präferenz?
Oh, ich liebe dieses neue Projekt, das ich in Detroit mit zwei Freunden gegründet habe. Wir heißen WINDS OF NEPTUNE und wir spielen so eine verrückte Mischung, die ich Stoner-Blues-Rock nennen würde. Sehr von den Siebziger Jahren inspiriert, so als ob sich Jimi Hendrix, Robin Trower und DEEP PURPLE zu einer Session treffen würden. Wenn ich von der Tour mit FLOGGING MOLLY nach Hause komme, nehmen wir Ende Juli unser erstes Album auf, das auf dem kleinen Label Small Stone Records bei uns in Detroit erscheinen wird. Und dann spiele ich noch mit Vince Williams in einer Zwei-Mann-Band namens THE CHRISTPUNCHERS, wo wir zusammen unsere Leidenschaften ausleben können. Wir spielen sehr lange Sludge-, Noise- und Heavy-Songs, die mindestens sieben bis fünfzehn Minuten dauern. Das hat nichts mit Punk zu tun und wir touren nicht, aber ich kann mit meinen absoluten Lieblingsmusikern zusammenspielen und bin daher zur Zeit wirklich gut ausgelastet.

Hast du bei den vielen Alben, die du aufgenommen hast, irgendwelche Lieblingsalben?
Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich liebe den Drumsound auf dem BANTAM ROOSTER-Album „Fuck All Y’all“. Jim Diamond von Ghetto Recorders in Detroit hat das Album damals produziert und der hat wirklich einen fantastischen, rohen Drumsound hinbekommen. Auch der Drumsound auf dem neuen FLOGGING MOLLY-Album „Anthem“, den Steve Albini gezaubert hat, ist wirklich großartig geworden. Außerdem spiele ich hier mein neues Drumset mit meinen Lieblingsbecken, so dass es vom Sound her wohl das beste Album ist, das ich je aufgenommen habe.

Hast du in den letzten Jahrzehnten auf Tour Schlagzeugerkollegen getroffen, die du großartig findest?
Ian Paice von DEEP PURPLE habe ich in Detroit ein paarmal getroffen, weil FIVE HORSE JOHNSON für sie eröffnen durften. Ian Paice ist ein super cooler Typ und wirklich eines meiner großen Idole. Danny Carey von TOOL finde ich auch großartig und natürlich Gregg Bissonette, zu dem ich immer noch Kontakt habe und der für mich Freund und Vorbild zugleich ist.

Mike, was würdest du jungen Schlagzeuger:innen mit auf den Weg geben?
Findet einen guten Lehrmeister, dem ihr vertraut, und spielt einfach möglichst häufig die Platten nach, die euch am besten gefallen. Dann werdet ihr mit der Zeit euren eigenen Stil entwickeln. Heutzutage ist ja alles ganz anders als damals, als ich angefangen habe. Man kann sich heute zu jedem Drumstil und zu jedem Rhythmus YouTube-Videos ansehen und diese nachspielen. Viele von den Leuten, die da Videos hochladen, spielen nicht einmal in Bands. Da gibt es so viele großartige junge Schlagzeuger, die einfach nur Videos veröffentlichen und damit ihr Geld verdienen. Wenn ich da an unsere Anfänge zurückdenke, ist das manchmal schon sehr seltsam.