Wozu soll man den Kopf einer Thrash-Band befragen, die den Namen eines erzkonservativen US-Präsidenten im Namen trägt, der zu jener Zeit im Amt war, als Thrash Metal geboren wurde? Tja ... da fällt auch dem gewitztesten Musikjournalismus aus aktuellem Anlass nichts Besseres ein, als jenen zu thematisieren, der vielleicht auch bald schon zum Namenspaten wütender, politischer Bands wird. Tony Foresta blieb entspannt und beantwortete meine aus Anlass des neuen IRON REAGAN-Albums „Crossover Ministry“ gestellten Fragen.
Tony, unterscheiden sich die Fragen europäischer Musikjournalisten eigentlich von denen der US-Presse?
In jedem Interview, das ich bislang jemandem aus Europa gegeben habe, ging es um Trump. Und bei denen mit US-Journalisten war es genauso. Das kann mitunter ziemlich belastend sein. Ich habe echt die Schnauze voll davon, über dieses Arschloch reden zu müssen – und das schon seit letzten Sommer! Aber dann ging es immer so weiter. Jeder hat doch gedacht, dass der verliert oder vorher aus dem Rennen fliegt, dass es einfach irgendwann wieder vorbei ist, aber stattdessen wurde es immer schlimmer und er immer größer. Und jetzt ist Trump plötzlich Präsident und wir müssen die nächsten vier Jahre über diesen Scheiß reden. Ich bin es einerseits also leid, andererseits müssen wir weiterhin darüber reden, um den Menschen zu erzählen, was genau mit Trump falsch läuft, so dass wir zumindest versuchen können, ihn zu stoppen – jetzt noch mehr als vorher! Ich bin nicht bereit, vor diesem ganzen Scheiß zu kapitulieren, und das sollte keiner, der irgendwie davon betroffen ist.
Thrash ist ein Kind der Achtziger, eines Jahrzehnts, das von der Präsidentschaft Ronald Reagans bestimmt wurde. Die Angst davor, in einem Atomkrieg zu sterben, Umweltzerstörung, eine Rückkehr zu konservativen Werten, all das entfachte die Wut junger Menschen überall im Westen und resultierte in den typischen Thrash-Metal-Themen und -Coverartworks. Welche Erinnerung hast du an jene Zeit, was faszinierte dich an der Musik?
Ich liebte die Artworks und die Aggression, die darüber vermittelt wurde. Das war schockierend und inspirierend zugleich – damals wie heute. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich Anfang der Neunziger mal SACRED REICH in Tampa, Florida gesehen habe und beim Konzert ein paar Nazis so richtig auf die Fresse bekamen. Das war ganz schön hart. Ich ging damals noch zur Schule und die Intensität der Musik und des Publikums riss mich unglaublich mit.
Es heißt ja immer, in schlechten Zeiten entstünde die beste Musik. Stehen uns also vier Jahre mit grandioser Musik bevor?
Haha, das höre ich nicht zum ersten Mal. Punk und Hardcore waren aber immer schon gut. Nur weil Obama Präsident war, war ja noch lange nicht alles gut in der Welt in den letzten acht Jahren. Und von Ende der Achtziger bis jetzt sind ja so einige gute Metal-, Punk- und Hardcore-Platten erschienen. Die Leute nehmen Musik heute aber anders wahr. Abgesehen davon: Wenn der ganze Scheiß jetzt irgendwen künstlerisch inspiriert, umso besser. Ich will, dass sich alles wieder zum Besseren wendet, aber ich finde eben nicht, dass der Musik in den letzten Jahren was gefehlt hat. Das Publikum hat sich nur einfach drastisch verändert.
Abgesehen von Kid Rock scheint niemand aus der Rockmusikwelt Trump zu unterstützen. Schwer zu glauben, aber wie sind da deine Erfahrungen?
Mir fällt auch niemand ein, und das ist, was mir Angst macht. Die Trump-Fans verstecken sich im Schatten und warten auf ihre Chance, sich zu erkennen zu geben. Genau das findet ja gerade mit den Arschlöchern dieser Alt-Right-Bewegung statt, die sogenannte „Alternative Rechte“. Das sind verkappte Nazis, die sich jetzt ein anderes Image zugelegt haben, um mehr Anhänger zu gewinnen. Wo waren all diese Wichser vor einem Jahr?
Ihr habt das Album vor den Wahlen im November 2016 geschrieben und aufgenommen. Wie schafft man es, eine Platte zu machen, die nach so einer Schicksalswahl nicht veraltet wirkt?
Ich halte unser Album für thematisch sehr breit aufgestellt. So sind eigentlich all unsere Platten, aber diesmal haben wir versucht, konkrete politische Aussagen zu vermeiden. Es geht weitaus mehr um Religion und Furcht als um Politik im klassischen Sinne.
Wie „true“ muss eine Band wie IRON REAGAN im Kontext von klassischem Achtziger-Thrash Metal sein, wieviel Update verträgt der Sound?
Diese Musik beeinflusst uns immer, aber wir haben keine Regel, wie wir klingen „müssen“. Wir diskutieren nicht darüber, ob etwas genug nach Achtzigern klingt oder so. Das wäre dämlich. Wir wollen einfach nur heavy und schnell sein ... and keep the riffs flowing. Außerdem ändern sich unsere Einflüsse ständig, wir sehen uns definitiv nicht als von einem Genre beeinflusst.
Von wem stammt euer cooles Coverartwork?
Der Typ heißt David Cook, alias Bonethrower. Ich mag das Artwork, weil es nicht den typischen Look eines durchschnittlichen Metal-Covers hat. Von all den Covern der Bands, bei denen ich beteiligt war, ist das eines meiner liebsten.
Und wenn wir schon beim Thema sind: Welches sind deine fünf liebsten Thrash- und Crossover-Albumcover?
AGNOSTIC FRONT „Victim In Pain“, ACCÜSED „The Return Of Martha Splatterhead“, CRUMBSUCKERS „Life Of Dreams“, BLOOD FEAST „Face Fate“ und AUTOPSY „Severed Survival“ – da das „alternative cover“. Ist zwar keine Thrash-Platte, aber egal.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #116 Oktober/November 2014 und Joachim Hiller
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