Wer in Deutschland als Jugendlicher gerne schwarz trägt und sich der „Emo-Subkultur“ angehörig fühlt, muss in der Schule oft mit Mobbing oder dem Außenseiter-Stempel rechnen. Im Irak hatte der Emo-Kleidungsstil vor knapp zehn Jahren sogar tödliche Folgen für Jugendliche.
Knapp acht Jahre lang war der Irak vom Truppen unter Führung der USA besetzt, bis Ende 2011 dann auch die letzten Kampftruppen der USA abgezogen wurden. Die wiedergewonnene Freiheit ließ aber auch besonders konservative Gruppen im Irak wieder an die Macht kommen – mit verheerenden Konsequenzen gerade für die Jugend im Land. Bereits im Februar 2012 veröffentlichte die Moralpolizei Baghdad auf der irakischen Seite des Innenministeriums ein Statement, in dem jugendliche Anhänger der „Emo-Kultur“ für ihren Kleidungsstil kritisiert wurden. Weiter wurde das Ganze von der Sittenpolizei als „satanistisch“ bezeichnet. Es folgte ein Aufruf, das Phänomen „Emo“ solle aus den Schulen verdrängt werden. Als Grund wurde genannt: Es gebe negativen Effekte auf die Gesellschaft. Auf das Statement folgte eine regelrechte Hetzjagd gegen alle, die „Emo“ oder einfach anders waren, sich zu westlich kleideten. Nicht nur die angebliche Verbindung zu Satanismus war der Sittenpolizei ein Dorn im Auge, der Kleidungsstil galt außerdem als typisch schwul und das in einem Land, in dem Homosexualität dein Todesurteil bedeuten kann. Und so kam es auch: Dutzende Jugendliche sollen vor allem im März 2012 im Irak umgebracht worden sein, Auslöser dafür waren ihre schwarze Kleidung, die langen Haare und der Musikgeschmack. Die meisten wurden durch Steinigung ermordet oder mit Zementblöcken, Ziegelsteinen oder auch Hämmern erschlagen. Nachdem die Morde öffentlich bekannt wurden, bestritt die irakische Regierung allerdings, es habe eine Kampagne mit dem Aufruf zum Mord von schwulen oder Emo-mäßig gekleideten Jugendlichen gegeben. Die offiziell durch das irakische Innenministerium bestätigte Zahl der Todesopfer liegt bei sechs. Menschenrechtsorganisationen wie BRussells Tribunal gehen aber von einer Opferzahl von bis zu 100 Jugendlichen aus, von denen der große Teil männlich ist. Aber nicht nur durch Morde fanden in dieser Zeit viele Jugendliche den Tod, durch den Verfolgungsdruck seien zudem viele junge Menschen in den Selbstmord getrieben worden. Auch die Milizen wollten nach Bekanntwerden der Morde keine Verantwortung übernehmen. Moktada al-Sadr, ein radikaler Schiitenprediger und Milizenführer, der später in die Politik ging, wies jede Schuld von sich. Dennoch empfand er „Emos“ als Krankheit der Gesellschaft, die mit juristischen Mitteln beseitigt werden sollte. Heute ist die politische und wirtschaftliche Situation im Irak weiterhin instabil. Außerdem gibt es immer noch keinen rechtlichen Schutz der LGBTQI*-Community gegen Diskriminierung. Sie sind häufig Opfer von so genannten „Ehrenmorden“.