Dave Raun ist ein Urgestein der amerikanischen Hardcore-Szene und wenn man über melodischen Hardcore kalifornischer Prägung spricht, stößt man unweigerlich – wahrscheinlich eher früher als später – auf irgendeine Band, in der Dave schon mal getrommelt hat. Die Alben, auf denen er mit seinem Highenergy-Drumstil zu hören ist, sind kaum noch zu zählen und sicherlich haben 99% der Leser dieser Zeilen das eine oder andere davon zu Hause im Schrank stehen.
Dave, hast du schon als kleiner Junge auf den Töpfen deiner Eltern oder Großeltern herum getrommelt?
Ja! Als ich acht oder neun Jahre alt war, war meine Großmutter sogar diejenige, die mir mein erstes kleines Spielzeugschlagzeug gekauft hat. Ich glaube, sie hatte zu Weihnachten diese romantische Vorstellung von „My little drummerboy“. Es kann schon sein, dass sie das später bereut hat, denn tatsächlich habe ich wohl überall draufgehauen, wo man irgendwie draufhauen konnte. Aber eigentlich hatte ich gar kein Interesse daran, Schlagzeug zu spielen, denn ich wollte immer Gitarre spielen. Es hat aber nicht sein sollen, denn als ich nach der Grundschule in die Mittelschule kam, spielte ein guter Freund von mir die Trommel im Schulorchester und das wollte ich dann auch machen. Irgendwie bin ich dabei geblieben und seit dieser Zeit trommle ich nun schon.
Wann hast du dein erstes Schlagzeug bekommen?
Ich hatte nie ein komplettes Schlagzeug auf einmal. Zunächst hatte ich eine Snaredrum, dann kam ein Fußpedal dazu und später eine Hi-Hat. Dann musste ich Geld zusammen sparen, um mir eine Bassdrum kaufen zu können. Meine Eltern haben mir also nie ein komplettes Set gekauft, sondern es kam alles nacheinander zusammen. Wenn ich irgendwelche zusätzlichen Toms brauchte, haben wir die aus Kartons zusammengebastelt oder was auch immer gerade zur Verfügung stand. An Becken war damals noch nicht zu denken, ich brauchte sie einfach nicht.
Gab es zu Beginn irgendwelche Drummer, zu denen du aufgeschaut hast, und wie bist du auf Punk gestoßen?
Phil Rudd von AC/DC war so einer, der mich mit seinen einfachen 4/4-Beats schlicht begeistert hat. Natürlich auch Drummergott John Bonham von LED ZEPPELIN, auf den ich damals unheimlich abfuhr, und Bill Ward von BLACK SABBATH. Das waren die Helden meiner Kindheit. Darf ich hier auch Herman „Ze German“ Rarebell von den SCORPIONS erwähnen? Das war also circa 1981, als ich anfing, zu trommeln und Rockmusik zu hören. Punk kam für uns erst Jahre später, als Joe Raposo – den ich schon seit dem Kindergarten kenne – 1987 bei den RICH KIDS ON LSD eingestiegen war und mit denen sogar durch Europa tourte. Wir waren ja eine große Clique und so war ich dann auch dabei.
Hast du dir alles selbst beigebracht oder auch mal Unterricht genommen?
Ja, ich habe auch Unterricht genommen und zwar in ganz unterschiedlicher Form. Zunächst hatte ich ja in der Schule Schlagzeugunterricht, dann habe ich auch privat Einzelunterricht genommen und schließlich kamen noch meine drei oder vier Jahre Gruppenunterricht in der Marching-Band dazu. In der Marching-Band habe ich mit Bassdrum angefangen und später auch Roto-Toms und Snaredrum gespielt, so dass die Ausbildung recht umfangreich war. Je mehr ich dann in Bands gespielt habe, desto weniger Zeit hatte ich für Unterricht und so wurde das disziplinierte Üben mehr und mehr durch Jammen im Übungsraum ersetzt. Ich hatte dann irgendwann keine Lust mehr, immer nur technische Fingerübungen zu machen, sondern wollte einfach nur noch spielen.
Mit welcher Band bist du zuerst live aufgetreten?
Gegen Mitte/Ende der Achtziger Jahre bin ich häufiger mit einer lokalen Rockband bei uns in der Gegend aufgetreten, aber ab 1992 spielte ich dann mit Joe zusammen bei RKL, die damals einen neuen Drummer brauchten. Das war für mich der Zeitpunkt, wo alles begann und ich wirklich viel auf Tour war. 1996 brauchten LAGWAGON einen neuen Drummer und so wechselte ich zu Joeys Band, als er mich fragte, ob ich Lust hätte, bei ihnen zu trommeln. Dann kamen 1997 noch ME FIRST AND THE GIMME GIMMES dazu, so dass ich mich wirklich nicht beklagen kann, zu wenig zu tun zu haben. Zwischendurch habe ich auch immer mal wieder bei PULLEY, GOOD RIDDANCE oder HOT WATER MUSIC für einige Gigs ausgeholfen, so dass im Laufe der Jahre wirklich einiges an Live-Shows dazugekommen ist.
Warst du gleich nach der Highschool Profi oder hast du dir die Zeit genommen, eine Berufsausbildung zu machen?
Tatsächlich habe ich eine Ausbildung zum Zimmermann absolviert. Nach der Highschool bin ich gleich in die Gewerkschaft eingetreten und Lehrling geworden. Ich war damals wirklich als Wanderbursche unterwegs und habe Zimmermann gelernt. Das war praktisch, denn ich konnte nebenbei mit meinen Bands auf Tour gehen und wenn die Tour zu Ende war, ging ich eben wieder zur Arbeit. Natürlich war das immer eine ganz schön heftige Umstellung, nach einer Tour wieder früh aufstehen und zur Arbeit gehen zu müssen. Aber es hat auch viel Spaß gemacht.
Erinnerst du dich, auf welchem Album du zuerst gespielt hast?
Na klar, das war „Reactivate“ von RKL, welches eigentlich überhaupt nicht als RKL-Album, sondern als etwas völlig anderes geplant war. Aber Bomber und Brett Gurewitz von Epitaph haben einfach den Namen geändert, weil sie dachten, sie würden unter dem Namen RKL mehr Platten verkaufen. „Riches To Rags“ war mein zweites Album und dann habe ich aufgehört zu zählen, weil es einfach zu viele waren. Die ganzen ME FIRST AND THE GIMME GIMMES- und LAGWAGON-Alben und einige andere, da kommt schon einiges zusammen. Insbesondere mit dem neuen LAGWAGON-Album „Hang“ bin ich außerordentlich zufrieden. Das ist mit Abstand eines meiner Lieblingsalben, bei denen ich dabei sein durfte. Wenn ich mir das Album heute anhöre, bin ich immer noch sehr stolz darauf. Ich mag den Drumsound, die Art, wie ich spiele, wie die Band zusammenspielt und ich mag Joeys Gesang. An diesem Album stimmt einfach alles und es ist vielleicht wirklich das beste Album, an dem ich beteiligt war. Da habe ich gar keine Zweifel.
Macht es für dich stilistisch einen großen Unterschied, in welcher Band du gerade spielst?
Der Unterschied zwischen RKL und LAGWAGON ist schon sehr groß. Bei RKL bestanden die Songs ja nur aus Tempowechsel und Breaks, die Songs waren für die Band geschrieben und nicht unbedingt für den Sänger. Die Sänger bei RKL waren immer nur dazu da, laute Geräusche zu machen, haha. Die Musik sollte der interessante Teil sein und der Gesang stand nicht notwendigerweise im Mittelpunkt. Da gab es keine wirklichen Gesangsmelodien, wie es sie bei LAGWAGON gibt. Da gibt es wirklichen Gesang mit Melodielinien, auf die Joey natürlich auch viel Wert legt. Ich spiele also bei LAGWAGON viel straighter und mit weniger Breaks, da die Musik viel mehr auf den Sänger zugeschnitten ist.
Hast du nach über dreißig Jahren Punkrock nicht manchmal Lust, dich anderen musikalischen Projekten zu widmen?
Natürlich sind LAGWAGON und die GIMME GIMMES die beiden Jobs, mit denen ich mein Geld verdiene, um die Rechnungen bezahlen zu können, aber ich habe schon noch genug Zeit, um andere musikalische Vorlieben ausleben zu können. Ich habe zu Hause ein paar Freunde, mit denen ich einfach nur Rockmusik mache. Das ist dann viel langsamer und mehr heavy orientiert als der Punk, den ich sonst auf der Bühne spiele, und klingt eher wie der Rock, mit dem ich aufgewachsen bin. Da spiele ich dann sogar manchmal mit meiner Doppelfußmaschine, damit die Songs metallischer klingen.
Brauchst du das, um nach einer anstrengenden Tour zu relaxen?
Nein, auf keinen Fall. Wenn ich nach einer langen Tour nach Hause komme, will ich kein Schlagzeug mehr sehen und fasse auch erst mal keine Sticks mehr an. Nach einer Tour möchte ich gern bei meiner Familie sein und habe reichlich andere Sachen zu tun, selbst wenn es nur Rechnungen bezahlen ist. Wenn wir mal längere Zeit nicht touren, dann spiele ich schon mal für mich alleine in meinem kleinen Studio in meinem Keller, aber ansonsten konzentriere ich mich auf die Bandproben, bevor wir auf Tour gehen. Zu Hause brauche ich den Krach nicht und nehme meistens nur ein kleines Übungspad zum Trommeln.