Cover-Ikonen: CLASH - London Calling (CBS, 1979)

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An „London Calling“ scheiden sich die Punkergeister. Spätestens mit diesem Album ist der Punkrock (wenn man das denn noch so nennen mag) im Mainstream angelangt. So Mainstream, dass die Royal Mail ihm – neben neun anderen britischen Megasellern von „The Division Bell“ von PINK FLOYD über „IV“ von LED ZEPPELIN und David Bowies „The Rise And Fall of Ziggy Stardust ...“ bis zu Mike Oldfields „Tubular Bells“ – 2010 eine Briefmarke gewidmet hat. Und ja, ein Doppelalbum zum Preis einer normalen Langspielplatte zu verkaufen, das hätte man sich ohne die Rückendeckung eines Majorlabels sicherlich nicht leisten können. Da liegt der Vorwurf, unter dem Deckmantel der Gesellschaftskritik das ganz große Geld scheffeln zu wollen, ganz nahe.

Gut verdient haben THE CLASH an diesem Album gewiss, aber kann man einer Band wirklich vorwerfen, dass sie ein möglichst breites Publikum erreichen will? Was bringt schon das durchdachteste Konzept und die unterstützenswerteste Botschaft, wenn kaum jemand jemals davon erfährt, weil man in einer winzig kleinen Nische arbeitet?

Irgendwie Mainstream wirkt auch das Artwork des Albums, eine Abwandlung des Frontcovers des ersten Elvis Presley-Albums. Was ist das nun, eine Hommage oder die visualisierte Zerstörung des King-Mythos? Eher das Resultat einer Verkettung von Zufällen, wie sich bei näherer Betrachtung zeigt. Schon das Bild von Paul Simonon, der in einer für ihn einmaligen Aktion aus einer Laune heraus seinen Fender Precision-Bass in bester THE WHO-Manier in seine Einzelteile zerlegt, war ein reines Zufallsprodukt. Auf einem Konzert in New York kurz vor der Fertigstellung des Albums entstand diese recht körnig geratene Aufnahme der Fotografin Pennie Smith, die aufgrund des falschen Objektivs nicht auf nähere Kameraeinstellungen vorbereitet war. Pennie fand das Foto zu unprofessionell, die Band hingegen wollte es unbedingt auf dem Cover ihres neuen Albums sehen. Die Elvis-Anspielung war eine ebenso zufällige Idee des mit dem Artwork beauftragten Designers Ray Lowry. Aber, wie der Vince Taylor-Song „Brand new cadillac“, zweiter Track des Albums, beweist, dem Rock’n’Roll eben auch nicht abgeneigt. Also waren am Ende alle (außer Pennie) zufrieden.

Und Botschaften hat dieses Album schließlich jenseits des Artworks schon reichlich: Konsumkritik, Politik, Arbeitsmarkt, Krieg, man bewegt sich in einem breiten Spektrum. Unterlegt mit einer massentauglichen Kombination aus Reggae, Ska, Blues, Hardrock, Pop und Rock’n’Roll haben sich das auch viele bereitwillig angehört. Muss etwas zwangsläufig schlecht sein, weil es eingängig ist? Weil es auf einem Majorlabel erscheint? Oder, weil viele es mögen? Nein. Wenn es dir gefällt, ist es gut. Wenn nicht, dann nicht.