Legendäre Alben beziehen ihren Status meist auch daher, dass sie aus ganz verschiedenen Blickwinkeln, positiv wie negativ eingefärbten, zu einem Knackpunkt in Bandgeschichten werden. Ein paar Geschichten drumherum, die man immer wieder erzählen kann, sind ebenso hilfreich. In diesem Fall natürlich vor allem die des Henry Rollins, der von seinem Job im Ice-Truck auf die Bühne springt, die Band mit seiner Performance am Mikro überzeugt und somit seine Karriere beginnt. Was natürlich etwas verkürzt dargestellt ist, weil es so mehr nach einem beinahe schon romantischen Punk-Märchen klingt. In der Realität hatte Rollins schon länger Kontakt zu BLACK FLAG, sein Gastauftritt am Mikro war abgesprochen, und mit STATE OF ALERT zudem Bühnen- und Studioerfahrung vorzuweisen. „Damaged“ hat es zugleich auch nicht geschadet, dass es sich in die lange Reihe der Punk/Hardcore-Alben einreihen durfte, die als Gefährdung der Jugend gebrandmarkt, deren Vertrieb vom Label verweigert und anschließend mit Klagen überzogen wurde. Nüchtern betrachtet, haben BLACK FLAG die Steilvorlage des Labelmanagments, „anti-parent record“, dankend zu Vermarktungszwecken angenommen und bei den juristischen Auseinandersetzungen eine aktive Rolle gespielt.
Das ikonische Cover mit einem Foto von Ed Colver hat den Legendenstatus ebenso beflügelt. In Verbindung mit den typischen nihilistischen Lyrics über Verzweiflung, Entfremdung, Ausweglosigkeit und Depression (neben satirischen, humorvollen Nummern wie „TV party”), kann man das Cover als Abbild dieser Zerrissenheit und Selbstzweifel lesen. Zumal vor dem Hintergrund von Rollins’ schwieriger Kindheit und Jugend. Es wurde aber auch stilbildend für den im Hardcore immer weiter verbreiteten Typus des betont maskulinen, toughen Macho-Sängers, den Rollins mit seinen harschen, gewaltaffinen und zunehmend muskelstrotzenden Bühnenauftritten weiter befeuerte. Auch sein düsterer, aggressiver Gesangsstil gilt als perfekte Ergänzung zur Musik von BLACK FLAG, die auf „Damaged“ noch sehr roh produziert ist – natürlich von SST-Hausproduzent und Ex-Mitglied Spot – und aus Prä-Rollins Zeiten stammt. Andere sehen hier bereits den Beginn des späteren metallischen, doomigen Sounds und die Abkehr vom Punk, der unter den früheren Sängern noch umherspukte. Das Debüt als Einleitung der Spätphase also, auch wenn die allgemeine künstlerische Entwicklung eher Gitarrist Greg Ginn zuzuschreiben ist. Und was Sänger anging, so wurden große Teile der Songs auch mit den vorherigen aufgenommen und veröffentlicht, teilweise erst später, insofern kann man sich noch heute darüber streiten, wer nun die Nummer eins in diesem Zusammenhang ist. Für manche endet die goldene Phase von BLACK FLAG mit Henry Rollins, für andere beginnt die Wahrnehmung der Band überhaupt erst mit ihm. Auch wenn die Kalifornier sich schon zuvor einen Legendenstatus erspielt hatten, ohne ein Album, aber mit zahlreichen Live-Auftritten und EPs. Aber 1981 ist nun schon 35 Jahre her, da werden solch langwierige Entwicklungen rückblickend als Urknall wahrgenommen, der „Damaged“ schon damals nicht war, aber dennoch ein gewaltiger Knall. Denn um endlich auch darauf zu kommen, musikalisch ist dieses Album ausnahmslos herausragend. Auch wenn man einzelne Songs hervorheben könnte, gelang es BLACK FLAG hier nicht nur, die wuchtige Energie der Live-Shows, sondern auch ein ganzes Lebensgefühl auf Platte zu bündeln. Ein Zeitdokument ohne Verfallsdatum. Der Knall wurde jedoch zuerst vor allem in der Szene vernommen. Dass die Musikpresse erst mit Verspätung und über Jahrzehnte immer wieder „Damaged“ neu entdeckte und honorierte, dürfte dem Kultstatus äußerst zuträglich gewesen sein. Denn gleichermaßen überzeugende Alben von anderen Bands wurden natürlich damals ebenfalls veröffentlicht, gerieten aber stärker in Vergessenheit. Wohl auch, weil sie nicht so schillernde Persönlichkeiten aufzuweisen hatten, die lange aktiv blieben und nachkommenden Generationen einen leicht begehbaren Weg durchs musikalische Dickicht zurück zum frühen Hardcore eröffneten.