„Die kannst du blind kaufen!“, meinte der damalige Inhaber von Hitsville Records Jürgen Krause Ende 1988, als ich beim Stöbern „Suffer“ aus der Hardcore-Kiste zog. Sein Tipp und der Umstand, dass Greg Hetson von den CIRCLE JERKS als Gitarrist gelistet war, überzeugten mich und so machte ich mich mit diesem Album auf den Heimweg ins Ziwi-Wohnheim, nicht ahnend, dass „Suffer“ eines meiner Lieblingsalben werden würde, und auch nicht, dass es einen mehrere Jahre anhaltenden Boom auslösen würde, der weitere kalifornische Bands wie NOFX, PENNYWISE, THE OFFSPRING aber auch die Schweden NO FUN AT ALL oder MILLENCOLIN nach oben spülen und eine ganze Generation von Abiturienten aus ihren rosafarbenen Lacoste-Poloshirts in Kapuzenpullis, Bandshirts, Chucks und Konzertsäle treiben sollte.
„Suffer“ war das dritte Album der 1980 gegründeten BAD RELIGION nach „How Could Hell Be Any Worse?“ (1982) und „Into The Unknown“ (1983), aber auch der dritte Anlauf für die Band, die sich zuvor schon mehrfach aufgelöst hatte, nicht zuletzt wegen der Drogenprobleme von Gitarrist und Songwriter Brett Gurewitz, welche die Band noch mehrfach in Atem halten sollten. Gurewitz hatte 1987 seine Sucht in den Griff bekommen und nach einigen anderen Jobs, als Toningenieur und Studiobesitzer, hatte er wieder Lust zu musizieren und so rauften sich BAD RELIGION wieder zusammen, holten Greg Hetson, der Gurewitz auf der 1985er Single „Back To The Known“ ersetzt hatte, als festen zweiten Gitarristen an Bord, schrieben neue Songs, die laut Aussage von Gurewitz im April 1988 in nur acht Tagen aufgenommen und gemischt wurden. Die 15 meist unter zwei Minuten langen Stücke boten einen erfrischend anderen, positiven Sound. Schnell, rauh, melodiös, hervorragender Gesang, unfassbar gute Background-Vocals, dazu intelligente und kritische Texte, für dessen Verständnis ein Dictionary neben dem Plattenspieler lag, aber vor allem versprühte „Suffer“ eine Unbekümmertheit, die BAD RELIGION nie mehr erreichen sollten.
Wie gut BAD RELIGION damals auch live waren, kann man auf dem während der 1989er Europatour von der Tribal Area Crew gefilmten „Along the way“ nachvollziehen. Die Band blieb auf Erfolgskurs, Greg Hetson vernachlässigte – sehr zum Unmut von Keith Morris, der nur von „dieser anderen Band“ spricht – seine eigentliche Heimstätte CIRCLE JERKS zugunsten des Erfolgs. Gurewitz’ Label Epitaph Records wird zum Imperium, er aber erliegt immer wieder seinen Dämonen, diverse Wechsel an Drums und Gitarre folgen. Doch auch wenn BAD RELIGION mit den folgenden Alben immer erfolgreicher werden, so ist „Suffer“ immer noch die Blaupause für ein perfektes melodisches Punk-Album, das bis heute unerreicht ist.