30 Jahre später: BAD BRAINS - I Against I (SST, 1986)

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Im Gegensatz zu vielen anderen in unserer Szene habe ich kein grundsätzliches Problem mit Religion oder Menschen, die an einen wie auch immer gearteten Gott glauben. Dazu habe ich über die Jahre zu viele Menschen unterschiedlicher Konfessionen kennen gelernt, deren Glaube in Nächstenliebe und dem Wunsch nach einem spirituellen Leben begründet war.

Gleichwohl empfand ich Rastafarianismus immer als höchst suspekte Angelegenheit, ist der doch mehr eine Sekte als wirklich eine Glaubensrichtung. Dass der bereits zu Lebzeiten nicht ganz unumstrittene Kaiser Haile Selassie von Äthiopien als der wiedergeborene Messias verehrt wurde, spricht eigentlich schon Bände. Die Tatsache, dass dieser Glaubensrichtung vorrangig Menschen angehören, die nie in Afrika gewesen sind, geschweige denn im später so gebeutelten Äthiopien, ist ebenfalls bezeichnend. Das „Gelobte Land“ stelle ich mir anders vor.

Aber wer weiß, vielleicht blieb den BAD BRAINS-Mitgliedern Dr. Know, Darryl Jenifer und dem sympathischen Earl Hudson nichts anderes übrig, als Trost und Gelassenheit in der Religion zu suchen, um die jahrelangen Entgleisungen und Exzesse von Earls Bruder H.R. zu ertragen. Dass dieser inzwischen völlig wahnsinnig geworden sein muss, wird eindrucksvoll belegt in der Doku „A Band in D.C.“. Warum die drei Ausnahmemusiker weiterhin an dem völlig unberechenbaren Frontmann festhalten, bleibt ein Rätsel, vielleicht bringt es Earl tatsächlich nicht übers Herz, seinen Bruder endgültig zu feuern. Adäquaten Ersatz gab’s immer wieder über die Jahre, etwa mit Chuck Mosley und Israel Joseph, um nur zwei zu nennen.

Was bleibt, sind etliche Albumklassiker, von denen mindestens drei das Prädikat „Platten für die Ewigkeit“ verdienen: Die „ROIR Tapes“, „Rock For Light“ und eben „I Against I“, das auch in kommerzieller Hinsicht das erfolgreichste war. Musikalisch öffnete man sich zur Inspiration sämtlichen Richtungen: Hardcore Punk, Funk, Soul, Reggae und Heavy Metal.

Und als „I Against I“ vor dreißig Jahren erschien, zog die Platte jeden in ihrem Bann. Vom „Intro“ über den pumpenden Titelsong und den Hardcore Brecher „House of suffering“, beim Groovemonster „Re-ignition“ wird das Tempo ein wenig zurückgefahren, es folgt das funkige, fast poppige „Secret 77“ und mit „Let me help“ ein weiterer Hardcore-Punk-Ohrwurm mit Gangshouts. „She’s calling you“ besticht dann durch Swing und Drive, bevor das legendäre „Sacred love“ folgt, eingesungen durchs Gefängnistelefon, weil H.R. zu der Zeit gerade Urlaub auf Staatskosten machte. Abgeschlossen wurde das Ganze mit dem monumentalen „Return to heaven“.

Wie bereits gesagt: Ein Album für die Ewigkeit!