Was habe ich mich gefreut, als ich die Ankündigung las, dass ZEITKRATZER ein Album voll mit WHITEHOUSE-Stücken machen wollten. Ich habe allerdings die Befürchtung, dass die verantwortlichen Herren dem eigenartigen Humor des W.
Bennett komplett verfallen sind. WHITEHOUSE und Kompositionen?! Seit wann? Das Beiheft liest sich wie ein schlechter Witz, erzählt von einem, der der sich nicht traut laut loszulachen, weil hier ja irgendwas mit Kultur und Ernsthaftigkeit verkauft werden muss.
WHITEHOUSE sind Noiser, die drauflos lärmen, ihren Tracks wirre Titel geben und allen möglichen Quatsch erzählen, wenn man ihnen nur verspricht, das Zeug dann auf Platte zu pressen und ihnen dazu ein gemütliches Besäufnis zu finanzieren.
Das einzig wirklich Mystische an WHITEHOUSE ist, wie sie es wirklich immer wieder schaffen, Leute zu finden, die das mitmachen ... Okay, sie waren die ersten, die konsequente Lärm- und Feedbackorgien etabliert haben, und ihre alten Platten sind wirklich krank, krass und durchschlagend, weil sie den ganzen Punk/Industrial-Exzess auf seine „musikalisch“ letzte Stufe erhoben haben.
Das ist der Verdienst von WHITEHOUSE. Wer sich die neuen Platten anhört, kommt um vor Langeweile, und die letzten Live-Auftritte waren auch eher flach und belanglos, weil Bennett einfach auch älter geworden ist (seine Freundin, die dabei lustlos herumsteht und sich wichtig in der Nase bohrt, senkt den Altersdurchschnitt allerdings radikal) und die früheren Showeinlagen ersatzlos gestrichen sind.
Außerdem fehlt das klassische „Fuck you in theeeeeeeeeeeeeeee ass!“ auf dieser Platte, und somit ist das nicht WHITEHOUSE, sondern der geschäftstüchtige William Bennett solo. Dazu kommt noch, dass die Spielzeit der zweite große Witz ist.
Musikalisch schaffen es ZEITKRATZER auch nicht, genügend Druck zu erzeugen, der einem Feedback ebenbürtig wäre, aber das liegt nicht an ihnen, sondern an den schlechten Kompositionen, die als Vorgabe genutzt werden mussten.
In der Reihe [old school] arbeiteten ZEITKRATZER dieses Mal mit dem amerikanischen Minimalkomponisten Alvin Lucier im Auftrag der luxemburgischen Philharmonie zusammen. Herausgekommen sind fünf Stücke, die sich alle mit Obertönen und dem akustischen Phänomenen der gegenseitigen Klang/Tonaufhebung beziehungsweise Beeinflussung befassen.
Das Prinzip kennt jeder: Ein durchgehender Ton trifft auf einen schwingenden Ton und man meint, dass auf einmal beide Töne schwingen würden, was aber nachweislich nicht der Fall und eben ein solches akustisches Phänomen ist.
Treibt man die Sache nun bewusst voran und lotet diese Grenzen klangtechnisch und kompositorisch aus, kann man wirklich sehr interessante Effekte im Raum und für eine Aufnahme erzeugen. Klänge verschmelzen miteinander und erzeugen dabei neue Musik.
Großartig und spannend zugleich und gar nicht kopflastig, sondern wirklich sehr seltsam, wunderbar und auch noch schön anzuhören.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #94 Februar/März 2011 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #90 Juni/Juli 2010 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #90 Juni/Juli 2010 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #133 August/September 2017 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #133 August/September 2017 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #115 August/September 2014 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #131 April/Mai 2017 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #170 Oktober/November 2023 und Henrik Beeke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #118 Februar/März 2015 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #94 Februar/März 2011 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #146 Oktober/November 2019 und Henrik Beeke