Seit einigen Jahren schon tummeln sich Hamburger Jungs von TIGERBEAT in der hiesigen Szene und werden seit je her von Kritikerseiten mit Lob und Anerkennung überhäuft. Nun liegt endlich ihr Debüt-Album vor und die Presse feiert die Garage-Blues-Rocker noch mehr ab. Endlich mal wieder eine Band, die ihre energetische Bühnenpräsenz auch im Studio einfangen konnte und somit ein durchweg gelungenes Album präsentiert. Der Vergleich mit der JOHN SPENCER BLUES EXPLOSION ist für TIGERBEAT nicht neu, bietet sich uns Musikjournalisten aber auf der Suche nach der nächsten Schublade geradezu an. Da die Band inzwischen vom Trio zum Quartett herangewachsen ist und ein paar Fragen zur Platte auch noch offen im Raum standen, habe ich mich eines lauschigen Frühlingsabends mit TIGERBEAT im Biergarten der „Yoko Mono“-Bar getroffen und sie zuerst mit meinen beinharten Fragen fürs Interview, anschließend mit einem motivierten, energischen Fotografen für das Fotoshooting konfrontiert.
Was unterscheidet den „Tigerbeat“ von einem herkömmlichen Beat?
Frehn:Wie der Name schon sagt, ist der Tigerbeat etwas gefährlicher und fühlbarer als ein herkömmlicher.
Sven: Ich weiß, wodurch sich unser Beat unterscheidet. Es ist halt so, dass wir nicht denken, wir sollten jetzt mal ein Soul- oder Rock-Stück machen und uns am pop-historischen Fundus bedienen, sondern wir arbeiten stattdessen mit einem Ausschlussverfahren. Da kommt also einer mit einem Riff an und der Rest versucht dazu ziemlich frei etwas zu ergänzen, ohne dass wir im Hinterkopf haben, was der fertige Song einmal darstellen soll. Es ist erst einmal einzig und allein wichtig, dass es groovet. Ganz anders läuft das zum Beispiel bei den STERNEN, die ich letztes Wochenende in der Markthalle gesehen habe. Die bedienen sich nur an schon Dagewesenem und daher klingt das ganze so zusammengesetzt und als hätte man es schon mal gehört. WEEN haben einmal gesagt, der Song diktiert uns, was wir zu tun haben. Und so funktioniert das auch bei uns.
Wer steckt hinter TIGERBEAT?
Daniel: Ich bin Daniel und spiele die basslastige Gitarre.
Stefan: Ich heiße Stefan und spiele Keyboards und Tambourin.
Frehn: Frehn halt. Sänger.
Sven: Ich bin Sven, der Schlagzeuger.
Aus dem Trio TIGERBEAT ist ein Quartett geworden. Was haben sich dadurch für neue Möglichkeiten ergeben?
Frehn: Wir bekommen dadurch mehr Bandbreite und Tiefe in die Songs, und zum ersten Mal ist es nicht nur reduziert auf Energie, sondern endlich haben wir auch das melodische Moment, was vorher stets etwas schwierig war.
Daniel: Wir haben die Melodien vorher zwar auch schon gehört und im Studio zum Teil auch umgesetzt, jetzt funktioniert das aber auch live.
Frehn: Wir hatten ja schon vorher öfters mit Synthies und Keyboards auf den Platten gearbeitet. Da mussten wir das nur noch alles selber eingespielt, jetzt haben wir dafür den vierten Mann. Inzwischen würde es uns im Song ja richtig fehlen, wenn es nicht mehr da ist.
Wie fing denn überhaupt damals alles mit euch an und was hat sich außer dem Neuzugang am Keyboard noch alles geändert?
Frehn: Es fing mal alles mit einem Basser an. Der war dann irgendwann nicht mehr dabei und wir fanden keinen neuen Basser, der zu uns passte. So kam es dann, dass wir mit zwei Gitarren weitermachten, wobei Daniel seine wie einen Bass spielt.
Sind die Gitarren denn gleich gestimmt?
Daniel: Die sind gleich gestimmt, aber ich habe da so ein Effektgerät, was die Basssequenzen anhebt.
Sven: Es hat sich aber auch sonst noch etwas geändert in all den Jahren. Früher wollten wir sein wie XY, das hatten wir schnell erreicht, so dass wir plötzlich die Idee hatten, anstrengende Songs zu machen und dekonstruierend zu arbeiten. Inzwischen sind wir in einer ziemlichen Hardrock-Phase.
Frehn: Das kommt sicherlich daher, dass ich ursprünglich aus dem Blues komme. Das spiegelt sich da jetzt wieder. Insgesamt sind dann da auch einige Pop-Elemente reingerutscht, wie man an einigen Refrains auf unserem Album noch hören kann.
Sven: Inzwischen werden wir wieder insgesamt schlichter. Obwohl wir mal anstrengend sein wollten, sind wir jetzt wieder dabei eingängiger zu werden, immer songorientierter.
Dann nerven doch bestimmt die permanenten Vergleiche zur JON SPENCER BLUES EXPLOSION?
Sven: Ja klar. Das blöde ist, dass es eigentlich von unserer Seite ganz unbewusst passiert ist. Wir haben Songs geschrieben, und ein halbes Jahr später erscheint ein neues Album von JON SPENCER und plötzlich klingt das genauso. Nur konnten wir das vorher ja nicht ahnen. Vielleicht machen wir einfach nur eine ähnliche Entwicklung durch. Wir kucken da ja nichts ab.
Daniel: Ich habe mit den Vergleichen kein Problem. Es passt so wenig genug, als dass man sich nicht darüber aufregen muss.
Ist es für euch denn hilfreich, dass gerade die ganze Retro-Rock-Geschichte à la HIVES oder STROKES so schwer angesagt ist?
Frehn: Ein ganz klares Ja. Die Leute interessieren sich endlich wieder für solche Musik. Das war aber immer schon so, mal ist dieser Sound in, mal ist er out. Was ich aber daran interessant finde, ist die Tatsache, dass solche Bands es schaffen, ein neues Element reinzubringen. Wir profitieren davon halt auch. Das hat man gerade erst auf der Tour gesehen.
Ihr habt ja nun endlich euer Debüt-Abum veröffentlicht. Warum hat das so lange gedauert?
Sven: Wir hatten auch schon einmal einen schnelleren Versuch unternommen. Da hatten wir probiert, in einigen Tagen das Dingen im Studio runterzurotzen, waren aber im Endeffekt nicht zufrieden damit. Und wenn wir uns nun die Resonanz auf die Platte anschauen, hat es sich auch definitiv gelohnt, nichts zu überstürzen. Wir wollten halt kein Album machen, was in irgendwelchen Review-Spalten erscheint, einen Monat später aber schon wieder vergessen worden ist. Da waren wir dann schon ehrgeiziger.
Eine ausgiebige Deutschlandtour liegt gerade hinter euch. Wie ist die verlaufen?
Daniel: Die ist supergut verlaufen. Überall, wo wir hinkamen, trafen wir nette Menschen.. Und die Leute kamen auch zahlreich zu den Konzerten, obwohl sie unser Album noch gar nicht kannten.
Sven: In Hamburg ist mir aber aufgefallen, dass die Leute bei ‚Sweet Love‘ gejohlt haben. Das Lied war gerade auf der Spex-CD erschienen.
Euch eilt der Ruf einer extrem erotischen Live-Band voraus. Was tut ihr, um diesen Ruf zu festigen?
Frehn: Nichts. Wir sind halt so.
Und wie lebt es sich so als Sex-Symbol?
Sven: Es lebt sich nicht gut damit. Ich lasse mir ja sogar inzwischen schon einen Bart wachsen. Das ist wie mit den Geistern, die man rief, und nicht mehr los wird.
Daniel: So einen Spaß macht das tatsächlich nicht, wie es sich vielleicht für einen Außenstehenden anhört.
Frehn: Es ist schon ein wenig nervig, wenn du im Zusammenhang mit deiner Band nur von sexy und Groupies liest. So wie in der letzten Zeit in der MoPo. Eigentlich machen wir ja doch primär Musik.
Sven: Eigentlich war das Ganze damals ein Marketingplan von uns, der dann ja auch aufgegangen ist. So ist das halt. Wir wollten schon eine Boygroup im Rock werden.
Ok, bleiben wir noch bei der Presse. Frehn, wie nützlich sind deine Kontakte zur Presse für den Erfolg von TIGERBEAT?
Frehn: Gar nicht. Zumindest nicht im weiteren Rahmen... Naja, ein wenig schon. Um eine Initialzündung zu kriegen, war es schon gut. Hätten wir aber nur Grütze abgeliefert, wäre das nicht aufgegangen. Es gibt in Hamburg schon genug Pressefritzen, die eine Band haben, und es nicht packen. Innerhalb der eigenen Firma ist es da eher nervig, dass die Leute irgendwann sagen: Oh, ihr seid ja gar nicht schlecht. Das soll heißen, wir sind nicht da, wo wir sind, weil ich irgendwelche Pressekontakte habe.
Ihr scheut euch ja nicht vor elektronischen Klängen in der Musik. Seid ihr damit schon öfters mit der Intoleranz des Rock-Publikums auf diesem Sektor konfrontiert worden?
Sven: Wir wollen diese Konfrontation. Leider kommt sie ziemlich selten.
Stefan: Es ist jetzt aber auch nicht so, dass wir es darauf unbedingt anlegen. Das Ganze ist so halt unser Ding und unsere Vorstellung von Musik. Und um noch einmal auf die Frage mit den Retro-Rock-Hype zu kommen, hebt uns das ja auch wieder davon ab.
Sven: Und wenn dann einer im Ox-Soundcheck etwas von Studenten-Kacke schreibt, freue ich mir ein zweites Loch in den Arsch, weil ich auf genau so jemanden gewartet habe.
Themenwechsel. Was macht Hamburg als Heimatstadt lebenswert?
Daniel: Eine ganze Menge, glaube ich. Primär merke ich das immer, wenn ich in anderen Städten bin. Das sind dann nicht unbedingt nur Häuser und Bäume, sondern Vibrationen und Einstellungen der Menschen hier. Und da gibt es einige seelenverwandte Städte wie Leipzig. Das fühlt sich hier einfach gut an.
Trotz Mitte-Rechts-Koalition?
Sven: Dazu kann ich etwas sagen. Ich war heute beim Manager von BLUMFELD, als dieser seine E-Mails durchguckte. Da stand in einer: Hallo Olly, hallo BLUMFELD, wir wollen laut schreien gegen Schill und da ein Festival machen. TIGERBEAT haben schon zugesagt. Wollt ihr da auch spielen? - Das Problem war, dass keiner von TIGERBEAT irgend etwas davon wusste. Aber wir sagen da natürlich zu.
Daniel: Aber zurück zu deiner Frage. Ich glaube, die Rot-Grüne-Koalition hier war am Ende auch nicht viel anders als der neue Senat. Rein auf dem Blatt ist die neue Regierung natürlich ein absolutes No-Go und man muss was dagegen schmeißen, aber insgesamt haben sich die etablierten Parteien schon ganz schön angenähert.
Sven: Ich sehe das Problem aber gar nicht beim Senat oder dem Schill, sondern bei den Leuten, die die wählen. Guck dich mal in der Schanze um. Da sitzen Leute im Betty-Ford-Cafe neben der Roten Flora, trinken ihren Milchkaffee und wählen die CDU. Das ist untragbarer, und zwar mehr als der Schill.
Frehn: Letzten Samstag hatten wir darüber erst eine Diskussion. Da standen wir beim Portugiesen in der Schanze, als so ein Typ mit St. Pauli-Mütze ankam und einem unserer Kumpel seinen SEX PISTOLS-Button abgerissen und meinte, er habe keinen Bock mehr auf irgendwelche Kunst-Studenten, die auf Straße machen. Und eigentlich hatte er damit ja auch recht. Nur leider hatte er sich den Falschen ausgesucht. Der Typ meinte dann noch, wir würden ja noch nicht einmal wissen, wen Sid Vicious am Bass bei den SEX PISTOLS abgelöst hat. Als ich ihm dann Glen Matlock antwortete, meinte er nur, das wolle er von uns gar nicht wissen.
Sven: Demnächst soll ja sogar ein H&M und McDonalds in die Schanze kommen. Es werden dort auch schon mächtig Unterschrift dagegen gesammelt. Aber das ist nicht das Problem. Ich fände das sogar super. Warum? Weil die Leute da eh hingehen würden. Warum soll das dann also nicht auch gleich in der Schanze entstehen?
Stefan: Aber nur weil die Leute da konsumieren, muss es doch nicht gleich auch dort hin gebaut werden. Wenn sie schon Burger essen wollen, dann sollen sie auch gefälligst dorthin abhauen. Ich will das große M in der Schanze eigentlich nicht lesen müssen.
Welche Ausflugstips könnt ihr unseren Lesern denn ansonsten für Hamburg geben, wenn man nicht gerade Milchkaffee in der Schanze trinken möchte?
Frehn: McDonalds und H&M.
Daniel: Wir sind alle vier keine Leute, die immer in den gleichen Bars sitzen bei seinen Leuten und seinem Wirt sitzen und nichts anderes mehr zulassen.
Sven: Aber wenn man jetzt als Auswärtiger nach Hamburg kommt, kann man schon gut in die Meanie Bar, das Molotow, Sorgenbrecher oder die Tanzhalle gehen. Aber das macht man ja eh.
Stefan: Und wenn man einen White Russian trinken möchte, sollte man das im Dschungel tun, auch wenn das jetzt kein direkter Szene-Laden ist.
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