XCLUSIVX

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Ein D.I.Y.-Projekt über Veganismus, Musik und Politik

Im XclusivX Fanzine werden viele Themen miteinander verknüpft. Veganismus und emanzipatorische Politik sind für die drei Kreativen Kat, Mellixxx und Phil eine Selbstverständlichkeit, die Liebe zum Hardcore verbindet sie. Eigentlich hatte ich Kat nur angeschrieben, weil ich das XclusivX Zine in der Blog-Kolumne des Kochen ohne Knochen-Magazins erwähnt habe. Wir kamen ins Plaudern über Musik, Essen, und kreative Ventile und weil Kat so vieles Interessantes zu erzählen hatte, kam mir die Idee, ein Interview daraus zu machen. Ich bin immer noch beeindruckt von Kats Tatendrang, Energie und Kreativität.

Kat, wer seid ihr und welche Idee treibt euch an?


Wir als Stammkollektiv sind drei passionierte Menschen mit verschiedenen Hintergründen, denen es am Herzen lag, unsere Szene durch mehr D.I.Y. zu bereichern. D.I.Y. als Konzept versteht sich nicht nur antikommerziell, sondern vor allem als selbstbestimmt. Das Fanzine soll offline in Print und online im Blog zu Diskussionen und Diskurs anregen. XclusivX ist ein Sprachrohr für all diese Überlegungen und Gefühle, die entstehen, wenn du am Rande der Gesellschaft stehst und Vorgänge mitbekommst, die du nicht akzeptieren willst. Wir haben auch ab und zu GastautorInnen und zur Zeit mit Simon und Jan zwei angehende Mitglieder als Fotograf und Redakteur.

Wie ist der Name XclusivX zustandegekommen?

Phil kam auf den Namen. Bei den Edge Days 2013 wurde die Zine-Idee geboren. Dazu vielleicht der Hintergrund: Straight Edge wird jedes Jahr im Oktober von der Community feierlich begangen, meist mit Konzerten. Das war so ein Abend, wo wir im Backstageraum mit Bands zusammensaßen, diskutierten, philosophierten und ich die Idee, endlich mein eigenes Zine zu haben, nicht mehr los wurde. Wir wollten alle Bands des Abends interviewen und Kolumnen schreiben, und Phil meinte, wir könnten es im Stile von Bunte oder Gala aufziehen und auf dem Cover ein Foto platzieren, neben dem skandalöse Fake-Enthüllungen als Headlines stehen. Daher „exklusiv“ als Thema, die Schreibweise rührt aus der Hardcore-Szene, in der viele Bands und Künstler mit dem X im Namen spielen, sei es vorne und hinten oder solitär in der Mitte. Nicht immer, aber oft, hat das auch einen Bezug zu Straight Edge. Was das Cover angeht, kam es dann aufgrund mangelnder Design-Fähigkeiten doch ganz anders, haha. Letztendlich illustrierte Tina von grutin.com das Cover mit einer gezeichneten Konzertszene, in der eine Frau das Mikro in der Hand hat. Tina hat später immer wieder mal beim Design ausgeholfen.

Arbeiten außer dem Kernteam noch andere Leute mit am Zine?

Phil und ich haben XclusivX gegründet und über ein Jahr allein durchgezogen, zu Beginn mit Word, Copyshop und handgeheftet. Nach einer Weile kam Melixxx hinzu, die eine absolute „Zine Addict“ ist. Kennen gelernt haben wir uns – natürlich – auf einem Konzert in einer abgelegenen Stadt im Saarland. Heute ist Melixxx unverzichtbar für das Zine, sie liefert vor allem Reviews zu Platten und Gastro und immer mal wieder Besprechungen von Zines, Konzerten und Büchern. Darüber hinaus ist sie auch die Sparsamste von uns und hat dem Zine finanziell schon so manches ermöglicht. Ohne sie würde es einfach gar nicht so laufen, wie es das inzwischen tut. Als sporadisch Mitwirkenden gibt es noch Leo aus Zürich, der auch an der vierten Ausgabe mitgearbeitet hat, und Hannes vom Label Powertrip Records, der Rezepte beisteuert.

Wie unterscheidet sich eure Arbeit von einem „normalen“ Magazin?

Das D.I.Y. ist der Unterschied. Dass wir alle Abläufe selbst in der Hand haben und durch finanzielle Autonomie alles selbst bestimmen. Das ist manchmal etwas belastender für das eigene Konto, aber es ist uns wichtig, kein Geld für Anzeigen anzunehmen und das Heft mit Inhalt, statt mit Werbung auszustatten. Außerdem zählt bei uns Text mehr als schöne Bilder, aber auch die dürfen nicht zu kurz kommen. Stellen wir eine Stadt im „vegan city guide“ vor, darf da schon optisch Ansprechendes dabei sein, wie im jetzigen Heft über Zürich, oder im Vorgängerzine zu Hamburg, Berlin und Barcelona.

Welche Themen bewegen euch und finden ihren Weg ins Zine?

Ein Zitat der Band DANGERS passt ganz gut: „Anger is not a mood, it is a goddamn way of life.“ Wut und Liebe, soll heißen Empathie, liegen sehr eng beieinander. Wenn Frauenhass und Antisemitismus salonfähig sind und Tiere eine Ware, wenn Flüchtlingsunterkünfte brennen, stehen Geist und Herz in Flammen. Diese Energie, geboren aus Mitleid, Hilflosigkeit und Wut, braucht einen Kanal. Das kann eine Band sein, ein Poesieprojekt oder eben ein Sprachrohr gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt, um anderen zeitgleich zu zeigen, was alles schiefläuft. So entsteht der Blog mit seinen Beiträgen und das Zine als gedruckte Form zum Sammeln und Anfassen.

Hinter dem Namen steht „Hardcore. Veganism. Politics.“ Sind diese drei Dinge für euch unmittelbar miteinander verbunden, oder seid ihr der Meinung, dass sie auch isoliert zu betrachten sind?

Unser Kampf ist intersektionell. Niemand wird zurückgelassen. Bis alle frei sind! Es gibt keinen Feminismus ohne Veganismus für uns, keinen Veganismus ohne die Positionierung gegen Homo- und Transphobie, Rassismus, Sexismus, und andere -ismen. Wer für die Befreiung des Menschen ist, kann unseres Erachtens nach keine Tiere und deren Produkte essen. Das widerspricht sich. So weit ist der Feminismus aber meist noch nicht. Und der Veganismus ist leider oftmals chauvinistisch, esoterisch und/oder politisch braun gefärbt. Dagegen beziehen wir offen und aktiv Stellung. Als elementare Grundlage vertreten wir die Ansicht, dass die Revolution nüchtern geschieht, mit klarem Kopf und der dafür benötigten Energie. Interessanterweise hat die von mir sehr geschätzte Feministin Laurie Penny da neulich etwas anderes behauptet, für sie beginnt der Feminismus „an der Bar“. Da wir mit dieser Haltung zum Glück nicht ganz allein sind, kommt die Musik, also das Genre des – politischen – Hardcore ins Spiel. Unser Sommer-Heft spiegelt das auf erfreuliche Art und Weise wider: so viele Bands und KünstlerInnen teilen unsere Perspektive. Das Thema Vegan Straight Edge ist auch im Winter-Zine wieder die gemeinsame Basis.

Und dann steht da auch noch Antibarbari ...

Der Ursprung hierfür liegt wieder bei Phil und in einer Diskussion, die wir bei einem unserer gemeinsamen Ausflüge mit anderen FreundInnen gemacht haben. Wir sprachen über den Begriff „Antifa“, den wir bis dato verwendet hatten, um unsere politische Haltung mit einem Wort beschreiben zu können. Allerdings ist der Begriff eigentlich nicht mehr zeitgemäß, denn wie in allen Strömungen gibt es Gruppen, mit denen mensch nicht assoziiert werden will. Das gilt für die Gesundheits- und Eso-Veganer genauso wie für sexistische Straight Edger oder eben reaktionäre, antisemitische AntifaschistInnen. Um uns abzugrenzen, nutzen wir also nicht nur den Begriff des Abolitionismus für den Veganismus, sondern auch den des „antiba“. Antibarbari geht auf Erasmus von Rotterdam zurück, der eine Schriftensammlung so betitelte. Erasmus richtete sich gegen die sogenannten „Sprachbarbaren“, wir richten uns wider jegliche Barbarei gegen Mensch, Tier und Umwelt.

Wie bist du zum Feminismus gekommen?

Haha, sicherlich wurde ich so geboren. Beziehungsweise erzogen. Mit einer starken Mutter, einem coolen Vater und einer schon immer innewohnenden Rebellion. Wir waren die einzigen Atheisten in dörflich-christlichem Umfeld, der Kampf gegen tradierte Geschlechterrollen begann bereits im Kindergarten, als meine Mutter mir die Haare kurz schnitt und alle anderen Mädchen lange Zöpfe und Kleidchen trugen. Später habe ich die Emma gelesen, die ich heute als verstaubt und gestrig empfinde, coole Künstlerinnen wie Shirley Manson von GARBAGE, Gwen Stefani von NO DOUBT oder Bif Naked entdeckt, zu denen ich aufsehen konnte. Sie schrien und sangen mir aus dem Herzen, dass Geschlechterrollen und Kategorien sexueller Identität nicht in unsere Zeit passen.

Hardcore ist immer noch ein ziemliches Macker-Ding, aber mir scheint, es gibt immer mehr Bands und Publikationen, die sich deutlich feministisch positionieren, oder?

Das stimmt, denn dieser Kampf ist auch in dieser Szene nötig. Auch wenn sich im linken Spektrum des Hardcore-Punk schon eher ein Freiraum für alle gebildet hat. Eine Subkultur ist ja immer auch ein Spiegel der Gesellschaft, mit all ihren Missständen. Es sollte irgendwann nichts mehr Besonderes sein, dass eine Band „female-fronted“ ist oder dass Frauen sich genauso in den Mosh Pit trauen wie Männer. Auch haftet den Frauen oft die Unterstellung an, sie würden zu langatmige Ansagen über Tier- und Frauenrechte machen, während den vielen privilegierten „weißen Männern“ stundenlang zugehört wird. Auch hier ist es natürlich meist das männliche Publikum, das Kritik an den Frauen übt, die versuchen, sich zu behaupten. Aber ob nun Promoterinnen, Musikerinnen, Künstlerinnen – es gilt weiterhin der Grundsatz, dass du als Frau zehnmal so hart für Anerkennung von außen arbeiten musst wie Männer. Das gilt überall, auch im Hardcore.

Wieso eigentlich ein Fanzine in einer Zeit, in der Blogs in wenigen Minuten eingerichtet sind und mit Glück und Geschick große Reichweite generieren können?

Diese Frage lässt sich leicht und schnell beantworten: Print stirbt nicht. Auf dem Tisch, im Regal, im Rucksack möchten Menschen immer noch etwas Haptisches, etwas Visuelles, und es gibt in der Hardcore-Bewegung sehr viele passionierte Zine-SammlerInnen. Wir haben uns von vielen tollen Zines inspirieren lassen, die wir selbst gern lesen. Und wie das im D.I.Y. so ist: Du kannst alles ebenso selbst machen wie andere das können. Du brauchst nur den Mut und den Antrieb. Der Rest kommt von allein. Dass auch in der Nische des Veganismus Print trotz Blogs en masse nicht stirbt, sondern eher auflebt, sieht mensch übrigens überall am Zeitschriftenkiosk.

Welche liest du selbst am liebsten?

Auf unserem Blog sind Zine-Reviews ein fester Bestandteil, und jedes Jahr ist im Juli „International Zine Month“. Die Plattform ISSUU ist ein guter Weg, kostenlos und virtuell Zines zu lesen und zu entdecken, vor allem in den Sparten Hardcore, Feminismus und Veganismus. Dort sind viele Menschen sehr aktiv. Mein erstes Zine war Back to the Bins und das kam klassisch auf dem tschechischen Hardcore-Festival Fluff 2010 zu mir. Das ist ein so genanntes „Cut & Paste“-Zine, eine klassische Art, in der mit Textschnipseln geklebt und kopiert wird. Aktuell lese ich am liebsten kleine feministische Zines aus aller Welt auf ISSUU. Ein sehr cooles, weil umfangreiches, veganes Zine ist T.O.F.U. aus Kanada. Wir haben den Macher Ryan im neuen Heft interviewt und auch alle bisherigen neun Ausgaben rezensiert.

Mit der vierten Ausgabe habt ihr euch ja vom „Schnibbelstil“ verabschiedet. Wieso und was gibt es stattdessen?

Du wirst lachen, es lag an einer Rezension im Ox-Zine zur dritten Ausgabe. Dort schreibt Simon völlig konstruktiv und zu Recht, dass wir inhaltlich super Arbeit leisten, aber die Optik schwer zu wünschen übrig lässt. Kein Wunder, wir haben im Schweiße unseres Angesichts alle Seiten in Word „gesetzt“, während der wegen der Datenmengen der Laptop tausendmal abschmierte. Richtiger Schnibbelstil, wie es zum Beispiel Raphi vom Solitude aus der Schweiz macht, waren wir ja nie. Also dann, entweder ganz oder gar nicht. Zugegebenermaßen hatten wir ein wenig Angst, wie die Rezeption in der Hardcore-Zine-Community ausfällt. Dort ist Cut & Paste schon der coole Schwarzweiß-D.I.Y.-Standard. Aber wir bekommen nur extrem positives Feedback, und das macht uns irre glücklich.

Welche Interviews oder welche Artikel haben euch in den jetzt fünf Ausgaben am meisten gefordert oder am meisten Spaß gemacht?

Es ist tatsächlich einfacher, zu benennen, welche besonders viel Spaß gemacht haben, obwohl – oder vielleicht gerade weil – sie Zeit und Mühe gekostet haben. Besonders viel Freude hatte ich mit den Interviews mit der Bostoner Band SPIRITS für das vierte Zine, denn das Mail-Interview entwickelte sich zum Dialog weit über die ursprünglichen Fragen hinaus. Genauso wie mit Al von DANGERS für die Nummer 5. Das ist eigentlich auch immer mein Ziel: So gut recherchieren, dass das Gegenüber das merkt, wie sehr ich seine/ihre Zeit wertschätze. Die Artikel und Kolumnen werden immer akribisch verbessert. Traurig bin ich persönlich immer dann, wenn ich ohne Erklärung nie wieder was höre, und richtig tolle Fragen an jemanden geschickt hatte.

Ihr schreibt ja auf Deutsch und Englisch – habt ihr eine internationale LeserInnenschaft?

Überraschenderweise, ja. Das merken wir an den Zine-Bestellungen, die nach Brasilien, Kanada, Finnland, Mexiko oder unsere direkten Nachbarländer gehen. Da verbindet uns eben Englisch doch als lingua franca. Erreichter Meilenstein 2015: Australien!

Beim Lesen eures Artikels über „Grüne Entgiftung“ auf dem Blog ist mir der Gedanke gekommen, dass es sowohl im veganen als auch im Straight-Edge-Bereich Menschen gibt, die eine Art von „Reinheitsgedanken“ irgendwie glorifizieren.

Ja, Melixxx hat da sehr gut auf den Punkt gebracht, wie wir das finden. Nämlich schräg. Ein klarer Kopf ist sicherlich die härteste Droge, denn du musst dich immer mit dir selbst, deinen Emotionen und der Welt um dich herum befassen. Einfach ausknipsen ist keine Option. Aber das mit dem Detox und der Hype um Fasten, Lichtnahrung und Co.? Meines Erachtens nach eher Geldmacherei als Wirklichkeit.

Zusätzlich hast du ja auch noch ein feines Koch-Heft gebastelt und bist auch poetisch unterwegs. Hast du noch weitere geheime Talente und hat dein Tag mehr als 24 Stunden oder nimmst du nur viel Superfood zu dir?

Haha, nein, mit Superfood hat das nichts zu tun, es sei denn, da zählt Schokolade dazu. Ich sag mal: Ich hole das Maximum aus meiner Zeit raus. Das Kochbuch war die logische Konsequenz meiner Leidenschaft für veganes Essen und Foodfotografie, alles autodidaktisch. Prosa und Lyrik begleiten mich schon seit der fünften Klasse, ein weiteres Ventil. Auch dort verarbeite ich Wut und Empathie. Ich fotografiere schon seit vielen Jahren leidenschaftlich gern. Bewegtes und Unbewegtes, Menschen und Tiere, Essen und Konzerte.

Was soll am Ende diesen Interviews hier stehen?

Our struggle is intersectional. Und: D.I.Y. or die trying.