TERVEET KÄDET

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Finnish Hardcore Brutality

In den frühen Achtzigern erfreuten wir Punks auf dem Dorf uns an jeder neuen Scheibe, die wir in die Hände bekamen. Denn sowohl der Geldbeutel als auch die Veröffentlichungen an sich waren sehr begrenzt. Jeder kaufte sich eine Scheibe und es wurde untereinander auf Tape überspielt. Die wichtigsten deutschen Labels dieser Zeit für uns waren AGR, Mülleimer, Weird System und natürlich Rock-O-Rama. Nach dem „Ultra-Hardcore“-Deutschpunk à la VORKRIEGSPHASE, STOSSTRUPP und Co. veröffentlichten diese nämlich gerade die ersten Finnland-Bands, lizensiert vom Propaganda-Label (wer kennt noch die großzügig gestalteten Fanzines von denen?). Und wir liebten und verschlangen alles davon: APPENDIX, RIISTETYT, BASTARDS, KANSAN UUTISET – und natürlich TERVEET KÄDET. Irgendwann machte sich sogar ein Trupp von uns per Bus auf den weiten Weg nach Finnland, um TERVEET KÄDET auf einem Festival mitten im Wald zu erleben. Und auch die nachfolgenden Veröffentlichungen hatten immer etwas angenehm Schräges an sich, so dass viele von uns der Band all die Jahre hinweg die Treue gehalten haben.

So hielt sich meine Begeisterung kaum in Grenzen, als bekannt wurde, dass TERVEET KÄDET 2013 beim Rebellion Festival in Blackpool zu Gast sein würden, das neben eher traditioneller Oi!-, 77er- und Anarchopunk-Mucke immer noch Nischen für allerlei obskure Acts (wie beispielsweise die Pre-CLASH-Combo LONDON SS) bietet. Bei der Vielzahl an Bands und Bühnen ist es dort manchmal schwierig, den zeitlichen Überblick zu behalten, und so stürmten wir direkt nach zehn Minuten UK SUBS im Empress Ballroom rüber zur Arena, um bloß keinen Ton von der finnischen Legende zu verpassen. Das war auch gut so, denn TERVEET KÄDET ließen nichts anbrennen und knallten ihr kurzes Set gnadenlos herunter. Fazit: Hammer-Gig! Und kurz danach plauderten wir bereits mit TK-Sänger Läjä und Gitarrist Ilari im Backstage-Bereich und köpften von der Band mitgebrachte Dosenbiere. Da Läjäs Englisch eher bescheiden ausfällt, wurde viel von Gitarrist Ilari übersetzt.

Wie kam euer Auftritt auf dem diesjährigen Rebellion Festival in Blackpool zustande?

Ilari:
Durch unsere Booking-Agentur, die für Europa zuständig ist. Die hatten beim Rebellion für uns angefragt, oder es war umgekehrt. Ansonsten haben wir auch noch eine Menge andere Leute, die für uns Gigs organisieren.

Ist das euer erster Auftritt in England?

Ilari:
Nein, wir hatten vor drei Jahren eine Tour dort: London, Edinburgh, Nottingham, Birmingham, Bristol, insgesamt acht Gigs, jedoch mit einem anderen Bassisten. Dafür war unser Originalschlagzeuger Peedro mit dabei.

Sind eure Auftritte immer so kurz?

Ilari:
Ja, unsere Setlist beinhaltet 23 Songs, die haben wir in zwanzig Minuten durchgespielt. Gestern beim Ieper Fest in Belgien waren wir bereits nach 18 Minuten durch.

Wollt ihr nicht mehr Stücke spielen?

Ilari:
Nein, wir denken, dass das für diesen Musikstil genug ist. Danach wird es langweilig. Wir hatten überlegt, einige längere Songs in der Mitte unseres Sets zu platzieren, aber Läjä war dagegen. So sind unsere meisten Nummern etwa eine Minute lang oder kürzer.

Ihr habt dieses Jahr ebenfalls auf dem Maryland Deathfest gespielt.

Ilari:
Ja, es hat uns dort sehr gefallen. Mal ein wenig andere Leute als sonst. Sehr groß das Ganze, halt ein Metal-Fest. Insgesamt haben wir in den USA 14 Shows gespielt; entlang der Ostküste, bis runter nach Austin.

Lass uns über eure Anfangsjahre sprechen. Wer ist auf den Bandnamen gekommen?

Läjä:
Ich war damals jung, arbeitslos und habe mir auf dem Arbeitsamt in Tornio einen runtergeholt. Da bin ich auf den Namen „Terveet Kädet“ – „gesunde Hände“ – gekommen ...

Wie war damals die Punk-Szene in Tornio?

Läjä:
Es war sehr wenig los. Tornio ist eine kleine Stadt, da gab es nur etwa zehn bis zwölf Leute.

Wie kam der Plattendeal mit Propaganda zustande?

Läjä:
Ich kannte die Leute von denen in Helsinki. Damals gab es ja noch kein Internet, da habe ich denen unsere ersten Platten und Demos geschickt, so kam der Deal zustande. Es gab damals keine Auszahlungen und keine Verträge. Schließlich gab es noch zwei Freiexemplare der Rock-O-Rama Lizenzierung, das war’s. Auf die Lizenzierung an sich hatten wir keinen Einfluss.

Wie kam es, dass ihr in späteren Produktionen mehr Metal-Elemente in euren Songs verwendet habt?

Läjä:
Wir mögen eben verschiedene Arten von Krach, langsameren und sehr schnellen. Unser damaliger Gitarrist Maike, der eine Menge unserer Songs in den Neunzigern geschrieben hat, spielte auch in einer Metal-Band. Es war eben ein Kompromiss. Die Songs wurden länger, bis zu drei bis vier Minuten lang, manchmal mit drei verschiedenen Parts. Mittlerweile sind wir zu unseren Wurzeln zurückgekehrt.

Textlich seid ihr dann auch mehr in die SM- und Bondage-Richtung abgedreht.

Läjä:
Ja, ich bin ein großer Fan davon. Und wenn ich etwas schreie, dann muss es aus dem Herzen kommen!

Warum habt ihr textlich von Finnisch zu Englisch gewechselt und dann zurück?

Läjä:
Mein Englisch ist nicht so gut, da bleibe ich lieber bei meiner Muttersprache. Als unsere Songs in den Neunzigern länger und Metal-lastiger wurden, haben wir zum Englischen gewechselt, weil wir dachten, dass das besser passen würde. Es wurde dann „Tornio English“ genannt, weil sowieso niemand etwas verstanden hat. Meist ist es ja sowieso egal bei uns, weil niemand etwas versteht.

Ilari: Der Grund, warum wir schon früh in Brasilien sehr populär wurden, liegt wohl daran, dass die Leute dort die finnische Sprache sehr mögen. Jeder Buchstabe wird sehr hart ausgesprochen, und dadurch klingt dann die ganze Sache sehr brutal.

Was ist aus den zahlreichen Ex-Mitgliedern der Band geworden?

Läjä:
Einer ist nach Helsinki gezogen und hat dort noch einige Songs für uns geschrieben. Vielen ist es mit dem Alkohol zu viel geworden, und die Shows liefen nicht mehr, weil sie zu betrunken waren. Unser bisheriger Bassist war irgendwann einfach zu alt dafür. Und viele Leute haben sich verändert. In der jetzigen Besetzung sind viele junge Leute; der Schlagzeuger ist beispielsweise erst 1982 geboren, quasi nach Gründung der Originalband.

Könnt ihr uns etwas über eure anderen Bandprojekte erzählen?

Läjä:
Einige von uns spielen noch bei DEATH TRIP. Da geht es langsamer und etwas experimenteller zur Sache als bei TERVEET KÄDET. Längere Songs mit Siebziger-Jahre-Horror-Elementen, aber simpel gehalten. Morgen haben wir einen Gig mit DEATH TRIP auf einem sehr angesagten Festival, da kommen viele Leute, die wahrscheinlich alle fröhliche Musik hören, und dann sind wir dabei mit unserem düsteren, depressiven Noise-Rock, laut ohne Ende, da werden wohl viele flüchten. Ich mag so was. Dann gibt es noch die SULTANS, American-Boogie-Style mit einem Riff, der sich immer wiederholt. Bei TERVEET KÄDET ist es der Hardcore Krach, der zählt, bei den SULTANS der Beat.

Läjä, du zeichnest ja auch Comics.

Läjä:
Ja, es ist ein Hardcover-Band von mir erschienen mit Schwarzweiß-Zeichnungen. Für das Artwork der neuen TERVEET KÄDET-EP bin ich auch verantwortlich.

Bei einigen frühen finnischen Hardcore-Punkbands wie RATTUS oder APPENDIX gab es Revival-Versuche. Was wurde aus den BASTARDS?

Läjä:
Die sind eben älter geworden und haben sich hoffentlich zur Ruhe gesetzt. Wir hatten nie ein besonders Verhältnis zu ihnen, da sie aus Tampere kamen. Das liegt viel weiter im Süden als Tornio, die Leute sind sehr faul dort. Wenn man aus einem Kaff wie Tornio aus dem Norden in eine Stadt wie Tampere im Süden kommt, merkt man, dass es dort eben anders zugeht: Alles ist aufgedrehter und schicker und pompöser, da hieß es dann nur: Bäh, ihr kommt aus dem Norden ...

Habt ihr noch eine lustige Tourstory parat?

Ilari:
Nun, das was uns heute morgen passiert ist, mag vielleicht jetzt lustig klingen, war aber wirklich saudämlich: Wir sind mit Ryan Air von Brüssel nach Manchester geflogen. Ich hatte die ausgedruckten Flugdokumente bei mir mit den Nummern drauf und bin damit zum Flugschalter gegangen. Leider hatte ich nicht die Warnung auf den Tickets gelesen, dass man vorher online einchecken muss, und zwar 15 bis vier Tage vor dem Abflug. Das hatten wir nicht gemacht, deswegen hat uns das Ausdrucken der Bordkarten für fünf Personen insgesamt 350 Euro gekostet! Der ursprüngliche Flug kostete dagegen nur etwa 250 Euro. Also hieß es: Wenn ihr den Flug nehmen wollt, müsst ihr bezahlen. Das hat uns unser gesamtes Geld gekostet.

Läjä: Eigentlich ist jeder Gig von uns lustig.

 


Diskografie (Auswahl): Rock Laahausta Vastaan – EP (1980) // II – EP (1981) // Ääretön Joulu – EP (1981) // Terveet Kädet – MLP (1983) // Halloween – MLP (1983) // Black God – LP (1984) // So Much Fun (Split mit KAAOS) – LP (1984) // The Horse – LP (1985) // Sign Of The cross – CD (1995) // Doomed Alien Race – CD (1997) // Oma Koloni – EP (1998) // The Ultimate Pain – CD (1999) // Ihmisen Poika, Pedon Poika – MLP/CD (2009) // Musta Hetki – LP/CD (2012)