RICH KIDS ON LSD

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Nardcore-Hardcore

RICH KIDS ON LSD alias RKL alias R.K.L. wurden 1982 in Montecito nahe Santa Barbara gegründet, einer Stadt nördlich von Los Angeles. Wiederum dort in der Nähe liegt die Stadt Oxnard, deren zweite Silbe Mystic Records-Boss Doug Moody (so will es die Legende) dazu verleitete, Bands aus der Szene dieser Region als „Nardcore“ zu bezeichnen. Die Bands wie AGRESSION, DR. KNOW, ILL REPUTE, STALAG 13 oder FALSE CONFESSION und eben RKL hatten eine Affinität zum Skateboardfahren und zu schnellem, hartem Punkrock, und in einer Mischung aus den Faktoren lebendige Szene, harter, schneller Musik und schlauem Marketing wurde „Nardcore“ zu einem Markenzeichen.

So schafften es RKL 1988 schließlich als eine der ersten US-Hardcore-Bands in Europa auf Tour zu gehen, wo sie begeistert empfangen wurden – ihr zweites Album „Rock ’n’ Roll Nightmare“ war gerade erst (1987) auf Alchemy Records erschienen, nach dem Debüt „Keep Laughing“ (Mystic) von 1985. 1989 kamen sie erneut auf Tour, und der Kalifornier Dave Pollack, Boss der damals gerade erst gegründeten Touragentur Destiny, nutzte diese auch als Labelplattform und so kam es, dass RKLs Auftritt vom 9. Juli 1988 im Berliner Quartier Latin mitgeschnitten und unter dem Titel „Greatest Hits-Live West Berlin 1988“ auf Vinyl gebannt wurde. Der dritte Longplayer „Revenge Is A Beautiful Feeling“ erschien ebenfalls 1989 auf Destiny, in den Neunzigern dann die Spätwerke „Reactivate“ (1993) und „Riches To Rags“ (1994, beide Epitaph).

Die Geschichte von RKL ist geprägt von zahlreichen Besetzungswechseln, aber auch von tragischen Todesfällen: Am 30. März 2005 beging Derrick Plourde, Ex-Drummer von RKL, später bei LAG WAGON, BAD ASTRONAUT und THE ATARIS, Selbstmord. Am 12. Dezember des gleichen Jahres traf es Gründungsmitglied Richard Anthony Manzullo alias „Bomer“, der einem Herzversagen erlag, und am 31. Januar 2006 starb Jason Sears, von 1982 bis 1990 Sänger von RKL, an Komplikationen während eines Drogenentzugs. Ich befragte Gitarrist Chris Rest, Gründungsmitglied und in allen Versionen der Band dabei, sowie Bassist Joe Raposo (seit 1987 und bis 2005 dabei) anlässlich der Neuauflage ihres 1988er Livealbums zur Geschichte und dem Vermächtnis ihrer Band.


Chris, Joe, bitte stellt euch vor und erzählt, welche frühere oder aktuelle Rolle ihr in der Band spielt.

Chris: Ich bin Chris und Gitarrist des Original-Line-ups. Wir haben die Band 1982 in meinem Haus gegründet. Ich kannte Jason aus der Grundschule. Bomer habe ich dann mit 14 kennen gelernt und wir machten zusammen Musik, er am Schlagzeug und ich an der Gitarre.

Joe: Ich bin Joe, oder auch „Litte Joe“ genannt. Ich bin der dritte Bassist und spielte von 1987 bis 2005 in der Band.

Wie ist der aktuelle Stand bei RKL? Wikipedia sagt: „Aktuell bleibt die Zukunft von RKL weiterhin ungewiss. Ob es einen neuen Sänger geben wird, ist unklar.“

Chris: Wir haben überlegt, eine Karaoke-Show zu machen: „RKLeoke“. Wir würden RKL-Songs spielen und Leute aus dem Publikum könnten nach vorne kommen und dazu singen. Sollten wir jemals wieder ernsthaft mit der Band auftreten, würden wir uns wohl nicht RKL nennen.

Joe: Ich stimme Chris vollkommen zu. Ich glaube auch nicht, dass irgendein anderer Sänger Jasons Platz einnehmen kann. Sogar Bomer hat es versucht, aber er war allenfalls okay. Vielleicht machen wir dieses „RKLeoke“, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist das unklar.

Destiny Records haben gerade „Greatest Hits – Live In West Berlin 1988“ wiederveröffentlicht. Wann und unter welchen Bedingungen wurde das Album aufgenommen?

Chris: Es war während unserer ersten Europatour. Genau genommen war es der zweite Versuch, eine Live-Show der Tour aufzunehmen. Bomer war der Meinung, dass die erste Aufnahme nicht so gut war, weil er zu dem Zeitpunkt krank war. Aber ich denke, sie war sogar besser als die Berlin-Show.

[]Joe: Die erste Aufnahme wurde im Club gemacht. Die Bänder liefen, während das Publikum tobte. Es war verrückt. Ich frage mich, ob Dave Pollack diese Bänder noch besitzt. Es wäre ziemlich großartig, diese Aufnahmen jetzt zu hören. Das zweite Konzert wurde außerhalb des Clubs mit einem mobilen Studio aufgenommen. Die zweite Location war viel größer und das hört man auch am Sound.

Könnt ihr euch daran erinnern, wann ihr zum ersten Mal den Begriff „Nardcore“ gehört habt, mochtet ihr den?

Chris: Ich fand es witzig. Alles, worin das Wort „Nard“ vorkommt, ist lustig.

Joe: Als ich mir die „Nardcore“-Compilation auf Mystic, auf der ja auch RKL waren, damals kaufte, dachte ich zuerst ernsthaft, „nard“ bedeute „Hoden“ und ich erwartete ein Album mit einem Haufen rotziger Punkbands. Ich fand den Begriff „Nardcore“ also ziemlich lustig. Erst später, als ich mir immer mehr Mystic-Platten gekauft hatte, verstand ich, dass damit die Stadt Oxnard gemeint war. Ich kam mir damals ziemlich dumm vor, aber der Name „Nardcore“ wurde dadurch nicht unlustiger.

Wie sah die Szene in eurer Heimatregion nahe Oxnard damals aus? Was war der Unterschied zur Szene der Metropole L.A.?

Chris: Die Szenen waren sehr unterschiedlich. Die erste Punkband aus Santa Barbara, von der ich jemals hörte, war STRAP ON DICKS. Sie kamen eigentlich aus Carpinteria. Ich erinnere mich, von Punkrock und einer BLACK FLAG-Show in Santa Barbara gehört zu haben. Ich glaube, sie spielten 1981 in einem winzigen Club namens George’s. Ich war allerdings zu jung, um hinzugehen. Es war für junge Bands immer schwierig, an Shows zu kommen, also spielten wir meistens auf Partys, bis die Polizei kam. Die Polizei schikanierte uns ständig. Meine erste echte Punk-Show waren D.O.A. im Goleta Valley Community Center. Dort spielten wir auch die erste echte RKL-Show, zusammen mit AGENT ORANGE. In der Nähe des Uni-Campus von Isla Vista gab es einen kleinen Raum, den wir für 100 Dollar mieten und für Konzerte nutzen konnten. Das war wirklich cool. Meistens fuhren wir zu Punk-Shows nach Los Angeles, aber wir waren auch Teil der Szene in Santa Barbara. Als wir zum ersten Mal nach San Francisco fuhren, merkten wir, dass die dortige Punk-Szene viel cooler und freundschaftlicher war. Also zogen wir dorthin, mit Ausnahme von Jason, der Santa Barbara nie verlassen hat.

Welche Musik habt ihr damals gehört? Damals war Hardcore noch neu und aufregend, die härteste und intensivste Musik, die es jemals gegeben hat.

Chris: Ich hatte junge Eltern und mein Vater war Musiker. Wahrscheinlich habe ich ganz am Anfang BEATLES gehört. Meine Mutter spielte Klavier und brachte es auch mir bei. Von einem Typen, der bei meinen Eltern zur Untermiete wohnte, lieh ich mir Platten aus und lernte so THE CLASH kennen. Ich wusste nicht, dass sie eine Punkband waren, ich mochte sie einfach. Zu der Zeit stand ich total auf THE CARS, THE KNACK und DEVO. Ich dachte, DEVO wären Punkrock – eigentlich denke ich das noch heute. Damals war der Zugang zu Punkrock viel schwieriger, so ganz ohne Internet. In der Mittelstufe lernte ich neue Freunde kennen, die sich auch für Punk interessierten. Zusammen wollten wir soviel Punk-Zeug wie möglich sammeln, egal, ob durch Plattenkäufe oder Tauschkassetten. „Never Mind The Bollocks“ war die erste Platte, die wir uns kauften. Immer, wenn wir nach Hollywood fuhren, besuchten wir dort Plattenläden wie Vinyl Fetish und deckten uns mit Platten und Fanzines ein.

Joe: Ich komme vom Classic-Rock – AC/DC, LED ZEPPELIN, APRIL WINE, BOC, RUSH und der ganze Kram. Ich hatte einen älteren Bruder, und als ich zehn Jahre alt war, fing ich an, alles zu hören, was er hörte, und das war eben dieses Rock-Zeug. In der achten Klasse fing ich dann an, andere Musik zu hören. Ich fuhr Skateboard und besuchte all die Spots, wo man fahren konnte. Die älteren Kids hörten dort laute Musik auf Ghettoblastern und ich fand es ziemlich cool. Die erste Punkband, die ich hörte, waren die SURF PUNKS. Und ich hielt das wirklich für Punkrock. Dann lieh mir jemand eine SEX PISTOLS-Kassette und erst da merkte ich, dass Punkrock etwas ganz anderes bedeutete. Danach entdeckte ich ADOLESCENTS, CIRCLE JERKS, BLACK FLAG und so weiter und war gefangen. Ich veränderte meinen Look, ging mit Freunden in alle möglichen Plattenläden und hörte mir alles im Punk-Sektor an, was cool aussah. Heutzutage ist die Musikszene ja ganz anders. Im Prinzip kannst du im Internet alles hören, was du willst. Damals musstet du wirklich viel Mühe und Zeit aufwenden, um solche Sachen zu finden. Es war wie eine Schatzsuche. Man ging zu den anderen Punks, fragte: „Hast du schon von XY gehört?“ Und wenn sie die Band nicht kannten, war es das beste Gefühl auf Erden, haha!

Wie steht es heute um Nardcore? Gibt es in eurer Region junge Bands, die eurer Tradition folgen?

Chris: Im Moment gibt es in Santa Barbara sehr viele Bands. Mir fällt zwar keine ein, die den Nardcore-Sound spielt, aber ich wohne schon eine Weile nicht mehr dort. Vielleicht irre ich mich auch.

Joe: Ich bin mir nicht sicher, ob die Kids von heute bewusst versuchen, den Nardcore-Sound nachzuspielen und ihren Sound daran anpassen. Aber ich glaube, Nardcore beeinflusst den modernen Punk, egal, ob die Kids ihn kennen oder nicht. Sie kennen Nardcore vielleicht nicht explizit, aber wenn sie sich NOFX anhören und das ihre Band beeinflusst, dann halten sie auf jeden Fall den Geist von Nardcore am Leben. NOFX veröffentlichten anfangs auf Mystic und waren von RKL beeinflusst. So gesehen besteht auf jeden Fall ein Zusammenhang.

Drogen stecken in eurem Bandnamen, Drogen können Spaß machen, Drogen spielten eine gewisse Rolle in eurer Band-Karriere und mindestens zwei eurer Mitglieder starben unter dem Einfluss von Drogen. Wie steht ihr heute zu Drogen und welche Rolle spielten sie damals in der Band?

Chris: Wir waren einfach gelangweilte Kids, wie viele andere auch. Drogen hatten schon starken Einfluss auf unser Songwriting und unseren Sound. Ich wollte, dass unsere Band wie eine Mischung aus PINK FLOYD, IRON MAIDEN und GERMS klingt. Wir waren gegen harte Drogen, aber leider galt das nicht für alle Mitglieder. Der Name wurde uns aufgedrückt. Ursprünglich hießen wir SOCIAL REVOLT, haha.

Joe: Drogen! Wo? Wer hat Drogen?!

In den Achtzigern seid ihr eine der ersten US-Hardcore-Bands gewesen, die durch Europa tourten. Welche Erinnerungen habt ihr an diese Touren?

Chris: Wir waren beeindruckt, wie organisiert die Punk-Szene war, und dass es für die Leute wirklich ein Lebensstil war und nicht nur eine Mode. Die besetzten Häuser waren unglaublich. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt.

Joe: Die ganzen Punks in Europa waren sehr organisiert. Sogar obdachlose Punks waren in der Lage, eine legale Bleibe zu finden, indem sie Häuser besetzten und organisierte Gemeinschaften bildeten. In den USA bekam man damals noch nicht einmal umsonst Essen im Club, und nur bei der Hälfte der Gigs bekam man Kohle. In Europa bekamen alle Bands eine warme Mahlzeit, Bier und wurden meistens auch noch bezahlt. Wenn nicht genug Geld da war, gab es zumindest Hasch, Alkohol oder sonst was, um die Tour erträglicher zu machen. Außerdem schien es so, als ob sich die Europäer stärker für uns interessierten und das, was wir taten, mehr zu schätzen wussten. Es war sehr beeindruckend, all das zu sehen.

Ich mochte immer euer Band-Maskottchen „Beanie Boy“. Wer hat sich den Charakter ausgedacht und wer hat ihn gezeichnet?

Chris: Ich glaube, Jason hat den ersten „Beanie Boy“ gezeichnet, aber manche Leute streiten darüber. Danny Sites hat das gesamte Artwork für Plattencover und T-Shirts gemacht.

RKL durchliefen verschiedene Phasen. Am Anfang wart ihr auf Mystic, später bei Destiny und dann mit mäßigen Erfolg bei Epitaph. Vor einiger Zeit führte ich ein Interview mit Doug Moody von Mystic. Seine Geschichten waren unterhaltsam, aber ich weiß auch, dass einige Mystic-Bands nicht so gut auf ihn zu sprechen sind, weil sie angeblich nie bezahlt wurden.

Chris: Lange Zeit waren wir auch nicht gut auf ihn zu sprechen, weil wir für unsere erste Veröffentlichung 1984 nie einen Penny von ihm bekommen haben. Aber wenn Mystic uns damals nicht genommen hätte, hätten wir vielleicht nie ein Album herausgebracht. Damals gab es nicht viele Labels, die junge Punkbands unter Vertrag nahmen.

Joe: Doug Moody ist ein Betrüger, aber ein gerissener. Aber immerhin hat er Bands nicht nur abgezogen, sondern ihnen auch Starthilfe gegeben. Manchmal ist das schon genug. Ich glaube nicht, dass jemals eine Band bei ihm unterschrieb und ernsthaft glaubte, sie würden damit je Geld verdienen. Es war Abzocke, aber gleichzeitig verhalf er einigen Bands zum Durchbruch.

Welches eurer Alben mögt ihr am liebsten, welches würdet ihr jemand empfehlen, der sich gerade erst durch dieses Interview für RKL zu interessieren beginnt?

Chris: „Keep Laughing“ und „Rock’n’Roll Nightmare“ waren unsere ersten beiden LPs und sind essenziell für alle RKL-Interessierten. „Riches To Rags“ war unsere Veröffentlichung auf Epitaph, nachdem Bomer uns verlassen hatte, und ich halte sie auch für eine gute Platte. Die Live-Platte aus Berlin ist natürlich auch ein Pflichtkauf.

Joe: Ich mochte immer „It’s A Beautiful Feeling“ und „Keep Laughing“. Ich verbrachte Stunden mit der Platte, hörte sie mit Freunden, fuhr dazu Skateboard. Aber eigentlich mag ich alle Platten, sogar „Reactivate“, denn jede hat ihre Besonderheiten. Selbst wenn man nicht jeden einzelnen Song mag, gibt es immer einen, bei dem man sich denkt: „Verdammt! Dieser Song ist sehr, sehr gut!“.

Und welche Platten sind heute noch erhältlich?

Chris: Mystic verkauft immer noch „The Best Of RKL“, welches die „It’s A Beautiful Feeling“-EP und die „Keep Laughing“-LP enthält. Vielleicht sind da auch die drei Songs der Nardcore-Compilation drauf, aber ich bin mir nicht sicher. Die Alchemy- und Epitaph-Pressungen von „Rock’n’Roll Nightmare“ findet man manchmal noch bei eBay. Und natürlich „Live In Berlin 1988“!

Was macht ihr aktuell sonst noch so, musikalisch und privat?

Chris: Im Moment spiele ich bei LAGWAGON, NO USE FOR A NAME und KING CITY. Ansonsten bin ich arbeitslos.

Joe: Ich arbeite in der Videospiel-Industrie, bei der Qualitätskontrolle für Zynga. Die machen die ganzen „Ville“-Spiele wie „Farmville“ oder „Cityville“. Nebenbei spiele ich Kontrabass bei KING CITY, gehe im November und Dezember 2011 mit den DWARVES auf Europatour und spiele nächstes Jahr mit LAGWAGON.

Übersetzung: Dominik Singer