GLEN E. FRIEDMAN

Foto

It’s all about energy

Warum ein Interview mit einem Fotografen im Ox? Ganz einfach, wer sich eingehender mit amerikanischem Punkrock und Hardcore auseinandersetzt, der stolpert zwangsweise über Fotos von Glen E. Friedman, Jahrgang 1962, der für einige der bekanntesten Bilder dieser Bewegung verantwortlich zeichnet. Ursprünglich der Dogtown Skater-Szene entwachsen, die er bereits als Jugendlicher eindrucksvoll fotografisch dokumentierte, tat er dies ab etwa 1979 auch bei der gerade explodierenden Hardcore-Bewegung. Zudem entdeckte er die SUICIDAL TENDENCIES, deren Debütalbum er produzierte. Schaut euch eure alten Hardcore-Platten an, auf vielen Klassikeralben finden sich seine Fotos. Mitte der Achtziger begann er sich verstärkt für die aufkeimende Rap- und HipHop-Szene zu interessieren, und auch hier konnte er wegweisende Fotos machen. Mitte Juni führte ich mit ihm via Videoskype ein fast zweistündiges Interview über das Skaten, Fotografieren, Veganismus, Hardcore und vieles mehr. Glen saß in seiner New Yorker Wohnung am Rechner und erwies sich als freundlicher, entspannter und vor allem redseliger Interviewpartner, der von der Bedeutung seiner Arbeit überzeugt ist und sich bei den Themen SUICIDAL TENDENCIES und Irak-Krieg schwer in Rage reden kann.

Wann und warum hast du mit dem Fotografieren angefangen?

Da war ich zwölf, also 1974. Es gab damals Skateboard-Magazine, in denen meiner Meinung nach nur schlechte Fotos abgedruckt waren. Ich dachte damals, dass ich es besser könnte, und habe es einfach versucht.

Hattest du Vorbilder?

Nein, eigentlich nicht, denn ich fand die Fotos anderer nicht gut. Allerdings haben mir die Arbeiten von Craig Stecyk schon gefallen. Ich fing einfach an, meine Freunde beim Skaten zu fotografieren, und als ich 14 war, wurden die ersten Fotos von mir im Skateboarder Magazine veröffentlicht.

Skatest du heute noch?

Eher selten. Wenn ich in Kalifornien bin, dann versuche ich immer, an den alten Plätzen zu skaten, an denen ich aufgewachsen bin. In New York ist es zu gefährlich – zu viel Verkehr. Es juckt mich zwar manchmal, den neuen Skatepark nebenan zu testen, würde es aber nur in den frühen Morgenstunden machen, wenn niemand sonst da ist. Ich bin nicht mehr so beweglich wie früher, es sähe sicher dämlich aus, haha.

Erinnerst du dich an das erste Bandfoto, das du gemacht hast, und an das erste, für das du bezahlt wurdest?

Ted Nugent war der erste Musiker, den ich fotografiert habe, wenn ich mich richtig erinnere. Ich war ein großer Fan von ihm. In „Fuck You Heroes“ ist eins von den Bildern zu sehen. Ich habe damals einige Fotos von Bands gemacht, die auch veröffentlicht wurden, aber Geld damit zu verdienen war nicht der Grund, warum ich sie damals gemacht habe. Ich wollte sie einfach machen. Das Skateboarder Magazine und Action Now haben die ersten Bilder dieser Art von mir gedruckt, weil ich sie überzeugt habe, dass sie wichtig sind. Es ging darum, bestimmte Dinge zu dokumentieren. Das haben auch andere getan, aber mir ging es um Details und die Komposition der Fotos, ich wollte den Charakter der Musiker darstellen. Das erste Mal für Bandfotos bezahlt wurde ich, als ich die Bilder für das erste ADOLESCENTS-Album auf Frontier Records geschossen habe. Das war das erste Albumcover, das ich je gemacht habe. Ich habe damals 75 Dollar oder so dafür bekommen. Es sind nur Einzelfotos geworden, weil sich einige der Musiker weigerten, gemeinsam für ein Foto zu posieren. Sie wollten einfach nicht neben den anderen stehen.

Als ich eben meine Plattensammlung durchforstet habe, stellte ich fest, dass du die Fotos für einige meiner Lieblingsscheiben gemacht hast – CIRCLE JERKS, SUICIDAL TENDENCIES und eben ADOLESCENTS. Hier, schau mal.

Zeig mir das Cover der SUICIDAL TENDENCIES-CD noch mal. Ah, komisch, so soll das Cover gar nicht aussehen. Normalerweise wird das Bandfoto von den T-Shirts eingerahmt. Was ist das für eine Pressung?

Die ist von Caroline Records mit drei Bonus-Songs.

Das muss ein Bootleg sein.

Ich habe sie ganz normal im Laden gekauft ...!?

Die Scheibe ist nur auf Frontier erschienen, keine Ahnung, was du da für eine Version hast. Welche Bonus-Songs sind denn dabei?

„Possessed to skate“, „Human Guinea pig“ und „Two wrongs don’t make a right“.

Schade, dass man eine so gute Platte ruiniert hat, indem man miese Versionen anderer Songs dazu gepackt hat.

Hm ... Wie kam es dazu, dass du damals das erste SUICIDAL TENDENCIES-Album produziert hast?

Weil niemand die Band mochte. Ich hatte schon eine Weile für Frontier Records gearbeitet und Cover für ADOLESCENTS, CHINA WHITE und T.S.O.L. gemacht, die seinerzeit in Südkalifornien alle richtig groß waren. Ich war sehr eng mit Frontier-Chefin Lisa Fancher befreundet, die als erste Frau ein Plattenlabel besaß, und sie bat mich, ein Auge auf neue Bands zu werfen, vermutlich weil sie meinem Geschmack vertraute und ich mich in der Szene auskannte, und ich kannte Mike Muir durch seinen Bruder Jim Muir, mit dem ich zusammen in der Dogtown-Szene aufgewachsen bin. Mike und ich waren lose befreundet, gingen auf die gleiche Schule, das Santa Monica College, und Mike gab mir irgendwann das Demo-Tape seiner Band, die eben SUICIDAL TENDENCIES hieß. Ich mochte es wirklich sehr, ging dann zu einigen Shows und mochte die Energie und fand die Band einfach unglaublich gut. Und obwohl jeder andere in Los Angeles die Band hasste und sie außerhalb ihres engsten Freundeskreises keinerlei Fans hatten, dachte ich, dass ich ihnen helfen könnte. Ich ging dann zu Lisa und erzählte ihr von dieser Band, die ich super fand und die ich gerne produzieren wollte. Ich war schon früher mit den CIRCLE JERKS, T.S.O.L. oder BLACK FLAG im Studio gewesen, aber nur um mit den Bands abzuhängen. Ich dachte mir einfach, das kann ich auch, und ich wollte einfach gerne die Kontrolle über alles haben. Ich sagte dann zu Lisa, wenn sie der Band einen Plattenvertrag geben würde, dass ich die Platte produzieren, alle Fotos machen, die Band managen und auch alles andere tun wollte. Sie sollte mir einfach die Chance geben. Sie verstand nicht, warum ich das machen wollte, weil jeder SUICIDAL TENDENCIES hasste. Aber ich wollte es unbedingt. Es war schon fast etwas Familiäres. Ich wollte Dogtown auf Schallplatte bringen. Es war Punk, es war cool, also lass es mich machen. Und dann ging es los. Ich habe die Scheibe promotet, und weil ich viele Leute bei der Presse kannte, konnte ich der Band eine Öffentlichkeit geben, dazu wäre jemand anderes icht in der Lage gewesen. Die Band und ihre Songs waren es einfach wert. Darum habe ich es gemacht. Nach einem unglaublich erfolgreichen Jahr, mit dem niemand gerechnet hatte, bekamen die Musiker leider so große Egos und wurden so unausstehlich, dass ich die Brocken hinschmiss, sofort nachdem ich die Band zu Erfolg und Glück katapultiert hatte. Dabei war das nie das Ziel gewesen, ich wollte einfach nur gute Musik veröffentlichen.

Das passiert ja leider immer mal wieder, wenn eine junge Band zu schnell erfolgreich wird. Kennst du die Neueinspielung „Still Cyco After All These Years“?

Das war ein weiterer gieriger Versuch der Band, die Plattenfirma, meine Wenigkeit und andere, die ursprünglich involviert waren, von den Einnahmen abzuschneiden, nachdem die Band jetzt auf einem Majorlabel war. Sie haben einfach versucht, das komplette Album zu kopieren, und es ist einfach nur ein weiterer Haufen Scheiße geworden. Damit habe ich nichts zu tun. Ich habe nach dem ersten Album hingeschmissen, als das Video zum Album in seiner elften von 14 Wochen bei MTV gespielt wurde. Alles, was danach kam, war durch reine Gier motiviert.

Denkst du, dass die frühe kalifornische Punk-Szene ohne deine Fotos heute anders gesehen werden würde?

Ich glaube nicht, denn es gab ja eine Menge Leute, die Fotos gemacht haben. Ich kann dazu nur sagen, dass ich froh bin, dabei gewesen zu sein.

Aber meinst du nicht, dass ohne deine Fotos oder die von Ed Colver oder Al Flipside die Szene heute rückblickend anders wirken und nicht so glorifiziert werden würde?

Klar, das kann schon sein. Aber dazu ist gute Fotografie auch da. Es gab damals im Gegensatz zu heute auch noch kaum private Videokameras, mit denen Konzerte dokumentiert werden konnten. Es war für mich jedenfalls gut, die Fotos damals auf meine Art und Weise gemacht zu haben. Wer ahnte denn schon, dass die ganze Geschichte länger als sechs Monate dauern würde und wir heute, 30 Jahre später, immer noch darüber sprechen? Mit den Fotos ist es mir aber ganz gut gelungen, die Energie, die Aufregung und auch die Kunst dieser Zeit einzufangen. Und einige Aufnahmen aus diesen Jahren inspirieren mich noch heute. Schon 1985 gab es doch fast nur noch Kopien der Bands von 1981. Als man 1980 oder 1981 auf ein Konzert ging, klang jede Band anders und war etwas Besonderes. Etwa um 1983 herum fing alles an, sich gleich anzuhören.

Wie war deine Vorgehensweise, um gute Fotos zu machen? Bist du auf ein Konzert gegangen und hast einfach viele Fotos gemacht und mit etwas Glück war etwas Brauchbares dabei?

Ich habe nie viele Fotos gemacht. Meistens habe ich nicht mal eine Kamera mit zu Konzerten genommen, weil ich unsicher war und nicht wie ein Nerd aussehen wollte. Aber wenn eine Band auftrat, von der ich glaubte, dass sie unbedingt fotografiert werden musste, hatte ich die Kamera dabei. Ich habe viel mehr BLACK FLAG-Konzerte besucht, als ich fotografiert habe. Manchmal hatte ich einfach das Gefühl, dass es sich lohnen würde. Konzertfotografie bei einer Punkrock-Show ist vergleichbar mit Fotografieren beim Skaten, man versucht, den Höhepunkt der Action und der Intensität zu erwischen. Zusätzlich sollte es immer gut komponiert aussehen und den Charakter einfangen. Ich habe nie viele Fotos gemacht und werde es nie tun. Ich warte lieber auf die besonderen Momente und drücke dann ab. Ich habe damals im Cuckoo’s Nest vielleicht eine Rolle Film beim ersten Konzert von BLACK FLAG mit Henry verbraucht. Andere würden vielleicht zehn Filmrollen verbrauchen oder mit der Digitalkamera die ganze Zeit knipsen. Es gibt heute sogar so genannte Fotografen, die eine Show filmen und anschließend Standbilder vom Film ziehen. Aber die Technik war früher einfach eine andere. Film kostete Geld, das Entwickeln kostete Geld und ich wollte außerdem nicht wie ein Idiot aussehen, weil ich die ganze Zeit fotografiere. Meine Absicht war es auch nicht, eine komplette Show zu dokumentieren, sondern es ging mir immer nur um diesen einen intensiven Moment, diese vielleicht 60 Sekunden, in denen ein Konzert zum Höhepunkt kam.

Gab es denn auch Momente, in denen du dich geärgert hast, weil du deinen Fotoapparat nicht dabeihattest?

Oh ja, unzählige Male. Da habe ich dann gemerkt, dass das Fotografieren mehr ist als nur ein Hobby. Jahre später bei FUGAZI hatte ich meine Kamera dann immer dabei. Das war so eine angenehme Atmosphäre mit der Band. Da habe ich dann begonnen, etwas zu experimentieren und andere Dinge auszuprobieren. Damals wollte keiner Fotos von FUGAZI drucken, eigentlich von nahezu keiner Band, die ich fotografiert habe. Ich meine jetzt nicht die Fanzines, da hätte ich offene Türen eingerannt, aber die haben meist selbst Fotos gemacht. Ich wollte die Fotos in größere Magazine bringen, damit Leute sie sehen konnten, die keine Ahnung davon hatten, was da draußen wirklich abgeht. Ich habe BLACK FLAG-Fotos in Skateboard-Magazinen untergebracht und damit für die Band erstmals ein größeres internationales Publikum erreicht, ebenso ADOLESCENTS und andere. Bei FUGAZI gab es auch den einen oder anderen größeren Artikel, aber sie wollten gar kein Teil des Mainstreams sein, also habe ich die Fotos zunächst nur für mich selbst gemacht.

Verwendest du heute analoge oder digitale Kameras?

Ich verwende nur Film.

Hast du nie digital fotografiert?

Ich habe eine von diesen kleinen Digitalkameras, mit der ich Fotos von meinem Kind oder anderen private Dingen mache. Manchmal knipse ich damit nur so zum Spaß. Wenn es aber um Motive geht, wo gewissenhaft vorgegangen werden muss, verwende ich analoges Equipment. Klar, die Technik entwickelt sich derart rasant weiter und eröffnet Möglichkeiten, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte, aber für mich als Künstler übernimmt die Technik zu sehr die Kontrolle, so dass ich mich damit nicht wohl fühle.

Machst du überhaupt noch Bandfotos?

Ich habe in den letzten zehn Jahren welche gemacht, aber die kannst du an einer Hand abzählen. Ich denke, dass ich es früher ganz gut hinbekommen habe, aber wie soll ich vier oder fünf Typen ablichten, ohne dass es langweilig wirkt? Wenn mich eine Band nicht inspiriert, fällt mir das verdammt schwer. Ich bekomme immer wieder Angebote, sowohl von einigen der größten als auch von den kleinsten Bands der Welt, und ich wäge immer ab, was bieten sie mir an, und interessiert oder inspiriert mich das? Ich denke, die Tatsache, dass ich in den letzten zehn Jahren kaum Fotos gemacht habe, beantwortet diese Frage.

Bei den Bandfotos, die du damals gemacht hast, von wem stammten die Ideen – von dir oder der Band?

Ich neige dazu, mit den Bands erst mal ein Brainstorming zu machen, weil mich interessiert, was sie denken. Wenn ich aber bereits eine feste Vorstellung davon habe, wie das Bild werden soll, dann sage ich den Bands schon, was sie zu tun haben, und die meisten machen es dann auch, weil sie meine früheren Arbeiten kennen und schätzen. Doch gerade bei Porträtfotos höre ich ganz genau hin, was sich der zu Fotografierende vorstellt, weil diese Bilder immer sehr intim sind.

Im Wikipedia-Artikel über dich heißt es, dass du bei BLACK FLAG eine starke Arbeitsmoral gelernt hast. Stimmt das und falls ja, wie sieht diese Arbeitsmoral aus?

Ich habe meine Arbeitsmoral durch die Gegend, in der ich aufgewachsen bin, aber es ist schon richtig, dass BLACK FLAG mich da stark beeinflusst haben, genauso wie Craig Stecyk. Von BLACK FLAG habe ich alles über Eigenwerbung gelernt, aber vor allem, dass alles, was du tust, wichtig und von Bedeutung ist und wirklich etwas verändern kann. Ich habe gelernt, die Zuversicht und den Willen zu haben, eigene Ideen zu pushen und an die Öffentlichkeit zu bringen, und dass dies nützlich sein kann. BLACK FLAG lebten zusammen in einem Raum und haben gelitten für das, was sie taten – und zwar täglich! So weit habe ich es nicht getrieben, mit acht Leuten in einem kleinen Büro zu leben. Und als Teenager habe ich bereits von Craig etwas gelernt, nämlich dass sich, wenn ich mir Magazine angeschaut habe, meine Arbeit von diesen Bildern unterscheiden musste – denn warum sollte sonst jemand meine Fotos sehen wollen? Wenn andere etwas bereits machen und du kannst es nicht besser als sie, warum lässt du es nicht ganz einfach sein?! Ich musste meine eigene Vision entwickeln, daran arbeiten und zuversichtlich sein, bis meine Arbeit von anderen Menschen richtig gesehen wurde.

Als du begonnen hast, mit den BEASTIE BOYS zu arbeiten, waren sie da noch eine Punkband oder machten sie schon HipHop?

Ich kannte sie schon, als sie noch Punks waren, aber um ehrlich zu sein, habe ich sie nicht ernst genommen und fand sie nicht gut, daher habe ich damals auch keine Fotos von ihnen gemacht. Sie waren Witzbolde, die alles und jeden verarscht haben, vielleicht waren sie sogar ein wenig elitär. Aber so sind sie ja eigentlich immer noch, haha. Sie nahmen alles aufs Korn. Ein enger Freund von mir, der sie von klein auf kannte, hat uns bekannt gemacht und wir freundeten uns während ihrer Punkrock-Zeit an. Der selbe Freund brachte mich zum HipHop, so wie Henry Rollins und Ian MacKaye mir Funk aus DC nahebrachten, was etwa zur gleichen Zeit passierte. Als die BEASTIE BOYS ihre erste HipHop-Platte veröffentlichten, wurde Punkrock für mich immer beliebiger und verlor seine Kreativität. HipHop war für mich Punkrock in der Version der schwarzen Jugendlichen und ich begeisterte mich dafür. Und dann kam die BEASTIE BOYS-Platte, die ich damals super fand – heute finde ich sie grässlich –, sie gingen auf Tour und ich dachte nur: Wow, jemand, den ich kenne, macht diese neue Musik. Sie kamen als Vorband von Madonna bei ihrer ersten Tour nach Los Angeles. Sie waren noch nie dort gewesen, also habe ich den Fremdenführer gespielt, es war eine tolle Zeit und es entstanden so viele großartige Fotos – sie haben mich inspiriert. Rick Rubin meinte später einmal, dass dies die beste Fotosession gewesen sei, die ich je gemacht hätte, dabei war das 1984 oder 1985. Einige dieser Fotos sind auf ihren Platten und in meinen Büchern zu finden. Wir wurden immer bessere Freunde und ich bekam im Laufe der Jahre immer wieder die Gelegenheit, sie zu fotografieren.

Warst du mit allen Bands und Künstlern, die du fotografiert hast, auch befreundet oder war das doch manchmal einfach nur ein Job?

Es war sehr selten einfach nur ein Job. Wenn ich nicht schon vorher mit ihnen befreundet war, habe ich mich meistens während der Foto-Sessions mit ihnen angefreundet. Zu 90% waren es Freunde und ich schätzte ihre Sachen sehr, bei den restlichen 10% mochte ich nicht unbedingt jeden in der Band, aber mich hat das inspiriert, was sie machten. Und wenn zum Beispiel Rick Rubin zu mir kam und wollte, dass ich eine Band fotografierte, von der ich noch nie gehört hatte, dann machte er mich neugierig darauf, machte mich mit ihnen bekannt, ich hörte sie mir an und erst, wenn ich etwas fand, was mir gefiel, habe ich den Job gemacht, egal, wie viel Geld mir dafür geboten wurde. Ich habe auch schon Bands gehabt, deren Musik ich überhaupt nicht mochte, aber das, was sie politisch taten, gefiel mir, oder sie waren einfach nette Menschen und respektierten meine Arbeit, dann habe ich es auch gemacht.

Gab es große Unterschiede zwischen Punk- und HipHop-Bands?

Es gab natürlich große Unterschiede, aber ebenso starke Gemeinsamkeiten. Zu Beginn war HipHop fast ausschließlich Teil der schwarzen Kultur und hatte mit der weißen Kultur nichts zu tun. Die beteiligten Künstler hatten von weißer Kultur keine Ahnung. Ich habe mal Jam Master Jay von RUN DMC die BAD BRAINS vorgespielt, weil ich glaubte, dass er sie mögen würde, weil sie schwarz waren und er sich ja für Musik interessierte. Für mich waren sie eine der besten Punk-Bands überhaupt und er war auch völlig von ihnen fasziniert. Es war einfach so, dass Musik, die keine Popmusik war, für die jeweils andere Kultur gar nicht existierte. Später wussten Leute wie Chuck D. und Hank Shocklee von THE BOMB SQUAD genau Bescheid, weil sie umfassender interessiert waren, aber am Anfang war es nicht so. Was Punk-Bands mit HipHoppern und Rappern gemeinsam hatten, war die rebellische Grundhaltung, dieses „Fuck you!“, so was gab es in der Gesellschaft sonst nirgends.

Einige Stimmen im Internet sagen, dass du verschiedene Jugendbewegungen in ihrer Entstehung dokumentiert hast. War das einfach Glück oder hattest du den richtigen Riecher?

Natürlich war da eine Menge Glück dabei, denn ich wurde zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren. Zusätzlich war ich leidenschaftlich daran interessiert und versuchte immer herauszufinden, wo etwas passierte. Heute sucht man einfach einen Namen im Internet und sagt: „Cool, Punk, wo findet das statt?“ Man hat Zeitungen gelesen, sich mit Freunden unterhalten, musste mit anderen Menschen kommunizieren, um neue Dinge zu lernen. Es war eigentlich richtig anstrengend, interessante Sachen zu finden. Meine Fotos hingegen sind alles andere als Zufall. Es gab genügend andere Menschen, die Skateboard-, Punk- oder HipHop-Bilder gemacht haben. Aber meine stachen aus der Masse heraus. Klar, es war Glück, dass ich da war, aber es war kein Glück, dass ich all diese großartigen Aufnahmen gemacht habe. Obwohl, wenn ich nicht vor Ort gewesen wäre, hätte ich auch die Fotos nicht machen können, haha.

Lass uns über dein Buch „Fuck You Heroes“ sprechen. Beim ersten Mal hatte ich mich verlesen und dachte, es hieße „Fuck Your Heroes“. Wie hast du den Titel gemeint?

Haha, mach dir nichts draus, hier in den USA gibt es auch eine Menge Leute, die den Titel falsch verstanden haben, und bei denen handelt es sich um Muttersprachler. Die Menschen in diesem Buch sind Helden, weil sie „Fuck you!“ sagen. Es gibt „American Heroes“, „German Heroes“, „Baseball Heroes“ und eben „Fuck You Heroes“ – um diese Art von Helden geht es.

Burning Flags Press – ist das deine Firma?

Ja, das ist mein eigener Verlag. Ich mache das Publishing, den Druck und alles alleine. Niemand sonst ist beteiligt. Nur den Vertrieb erledigen andere, mit denen ich aber befreundet bin.

Änderst du bei Neuauflagen die Fotos?

Nein, bei „Fuck You Heroes“ sind die Fotos die gleichen geblieben. Nur das SUICIDAL TENDENCIES-Foto habe ich ausgetauscht, weil ich bei der Erstauflage aus Versehen das falsche gedruckt hatte, aber das ist vermutlich eh niemandem aufgefallen. Ich habe bloß kleinere Verbesserungen bei der Schriftart vorgenommen und chronologische Fehler berichtigt. Außerdem konnte ich aber mit jeder Auflage den Druck verbessern, so dass viel mehr Details zu erkennen waren. Die erste Auflage, die leider auch die höchste war, hatte nicht die allerbeste Qualität. Aber man lernt ja nie aus. Es war harte Arbeit, das alles alleine zu machen, und zuvor gab es keine Bildbände, die sich mit diesem Thema beschäftigten. Später wurden viele ähnliche Bücher veröffentlicht, wovon die meisten aber eher ziemlich beschissen waren, haha.

Auf deiner Internetseite hast du ein so genanntes „No War Statement“ dokumentiert. Worum geht es da genau?

Ich habe mich furchtbar über meine Regierung und die Mehrheit in meinem Land aufgeregt, die der Meinung waren, dass wir einen Krieg beginnen müssten, nachdem das mit dem World Trade Center passiert war. Was dann am Ground Zero ablief, die ganzen Demos von Menschen, die in hässlicher Weise ihren Patriotismus zum Ausdruck brachten, das hat mich fast wahnsinnig gemacht. Ich bin absolut anti-nationalistisch, bin froh, in diesem Land zu leben, schäme mich für vieles, was die Regierung und andere in diesem Land tun, aber ich lebe hier, ich mag es, und es gibt viel mehr Gutes als Schlechtes. Ich bin ein extremer Patriot, wenn es darum geht, dafür zu kämpfen, das umzusetzen, von dem wir glauben, dass es gut für dieses Land ist, und was ursprünglich die Idee dieses Landes war. Mich hat es erschreckt, dass man Ground Zero zum Anlass genommen hat, einen Krieg zu beginnen. Zufälligerweise lebte ein Freund von mir buchstäblich auf der anderen Straßenseite und ist fünf Tage vor dem 11. September ausgezogen. Später kam mir die Idee, die Fenster seines Apartments zu nutzen, um diese besondere politische Botschaft zu verbreiten. Wir wussten, dass ein Treffen der Republikaner in New York stattfinden sollte. Diese ganzen Konservativen wollten in die Stadt kommen und Ground Zero als Kulisse missbrauchen, um hier Propaganda zu machen für mehr Gewalt in der Welt. Aber wir, die Menschen in New York City, wollten keine weitere Gewalt. Wir wussten, warum das Ganze passiert war, es war schrecklich, aber keine Entschuldigung für einen Krieg. Sie haben die Schlacht gewonnen, klar. Unsere Wirtschaft ist den Bach runter gegangen, aber die großen Unternehmen sind mir egal. Jeden Tag wird so irre viel Geld für Sicherheit ausgegeben, das viel besser in Bildung investiert werden sollte. Oder in Sozialprogramme, die helfen könnten, das Leben sehr vieler Menschen zu verbessern. Oder nimm die Gesundheitsversorgung, dafür ist kein Geld da. Für nichts haben wir noch Geld, da alles in die Sicherheit gesteckt wird. Das ist ekelhaft und abstoßend. Meine Absicht war, der Welt zu zeigen, dass wir hier in New York gegen den Krieg sind. Vor allem gegen einen Krieg, der in unserem Namen geführt wird, im Namen der Menschen in New York. Ich wollte einfach das lauteste und deutlichste Statement abgeben, das möglich ist, ohne mein Leben zu riskieren. Ein paar Freunde haben mir geholfen und Tips für die Beschilderung gegeben, aber die Idee war meine. Mein Freund Russell gab uns die Erlaubnis, also sind wir ins Gebäude rein, nachdem es drei Jahre lang verboten war, es zu betreten. Selbst Leute, die dort wohnten, durften in den drei Jahren nicht in ihre Wohnung. Aber am ersten Tag der Wiederfreigabe sind wir gleich rein und haben die Fenster ausgemessen und eine Woche später habe ich die Botschaft in die Fenster geklebt. Und welche Reaktionen gab es? Landesweit keine, nur ein paar Lokalzeitungen haben kurz darüber berichtet. Aber die Menschen aus aller Welt, die nach New York kommen und dabei Ground Zero besuchen, die konnte ich damit erreichen. Die Nachrichtenagenturen haben es ignoriert, vielleicht aus Angst vor der Regierung. Es war einer meiner stolzesten Momente und der hatte nichts mit meiner Fotografie zu tun, sondern damit, dass ich so laut wie möglich meine Meinung vertreten habe.

Hast du auf Grundlage des Patriot Acts keinen Ärger deswegen bekommen?

Nein. Vielleicht wurde danach ja mein Telefon überwacht, aber ich habe nichts dergleichen bemerkt. Weißt du, ich bin Straight Edge Veganer, da schreckt mich so etwas nicht ab. Ich bin genauso Patriot wie sie, nur auf eine positive Art und Weise. Ich glaube nicht an Gewalt, ich glaube daran, jeden Menschen gleich zu behandeln. Wenn die großen Unternehmen alles ruinieren, wenn Neid und Missgunst das Land zu zerstören drohen, dann will ich dagegen angehen mit den Mitteln, die mir zu Verfügung stehen.

Okay, noch mal zurück zum Thema Fotos: Verfolgst du heute auch noch, was andere Musikfotografen so machen?

Hm, das habe ich eigentlich noch nie getan. Wenn ich eine Zeitschrift in die Finger bekomme, bin ich zwar schon neugierig und schaue rein, meistens bin ich aber wenig beeindruckt, haha.

Welches Konzert hast du zuletzt besucht?

Das letzte Konzert, bei dem ich Fotos gemacht habe, war von OFF! in einem Plattenladen um die Ecke. Das hat einen Heidenspaß gemacht und war großartig. Ich habe fotografiert, gefilmt und ich habe die kleine Digitalkamera eingesetzt, von der ich vorhin sprach. Aber das Beste daran war, dass ich einen ganzen Film mit Keith Morris und seiner neuen Band OFF! voll habe. Und eine Woche davor habe ich eine italienische Band namens THE BLOODY BEETROOTS gesehen, die machen ... ich weiß gar nicht, wie man das nennt, Elektro/Techno/Punk-beeinflusste Dance-Musik. Sie riefen mich an, wir unterhielten uns, sie waren nett, vor allem der Bandleader. Sie sollten nur ein paar Blocks von hier auftreten, also bin ich zum Soundcheck gegangen und fand es super. Also bin ich dann mit meiner Kamera zum Konzert gegangen, wo ich mit Abstand der Älteste war, haha. Ich habe eine Rolle Film verknipst und einige richtig gute Aufnahmen hinbekommen. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich seit FUGAZI mal auf einem Konzert fotografiert habe, aber du siehst, es passiert noch ab und zu. Eine andere Band, zu deren Konzerten ich gegangen bin, waren CHAIN AND THE GANG, die neue Gruppe von Ian Svenonius von NATION OF ULYSSES. Ich finde sie lustig, politisch, interessant und einfach cool. Aber es ist in der Tat selten geworden. Die Sache mit OFF! und THE BLOODY BEETROOTS ist jetzt auch schon wieder über sechs Monate her.

Welches ist denn deiner Meinung nach das beste Foto, das du je gemacht hast?

Puh, gute Frage. Das BLACK FLAG-Foto aus dem Cuckoo’s Nest fällt mir da ein, auf dem Henry, Chuck und Greg zu sehen sind. Oder das von Ian MacKaye im 9:30 Club, wo er fast in meine Kamera springt und auf der Menge sitzt. Aber das, worauf ich wohl am stolzesten bin, ist eins von Jay Adams, das mir mit meinem ersten Dia-Farbfilm gelungen ist, es ist abgedruckt in meinem Buch „The Idealist“. Da war ich 14 Jahre alt. Das Foto ist klar und sauber, perfekt komponiert, radikales Skateboarding – einfach schön. Es ist vom gleichen Film, mit dem ich mein erstes veröffentlichtes Foto geschossen habe. Leider hat man damals nicht mein Lieblingsbild, sondern ein anderes ausgewählt.

In den Achtzigern soll dich ein Buch mit dem Titel „Diet for a New America“ nachhaltig beeinflusst haben.

Ja, das stimmt. Das Buch war mit einer der ersten Ratgeber der veganen Bewegung in Amerika. Es behandelt den Einfluss, den der Verzehr von Tieren auf die Umwelt, die Tiere und deine eigene Gesundheit hat. Shawn Stern von YOUTH BRIGADE und BYO brachte mich erst zum Vegetarismus, Ian MacKaye später zum Veganismus. Etwa zu dieser Zeit habe ich „Diet for a New America“ für mich entdeckt. Keine Ahnung, wer es mir gegeben hat oder wo ich davon gehört hatte. Es war für die Bewegung eine Art Bibel und hat mein Leben wirklich verändert. Was mich wirklich bewegt hat, war der Einfluss, den der Verzehr von Tieren und tierischen Produkten auf die Umwelt hat. Der zweite Punkt war der Einfluss auf meine Gesundheit, denn das letzte, was ich wollte, war an Krebs in meinem Arsch zu sterben. Und natürlich wollte ich nicht mitschuldig am Leid der Tiere sein, das mir vorher so nie bewusst war. Nach und nach fing ich an, die Tierrechtsbewegung zu verstehen. Auch wenn es zugegeben prima schmeckt, ich kann einfach nichts Tierisches mehr essen. Aber ausschlaggebend war der Einfluss auf die Umwelt. An der Zerstörung des Planeten will ich nicht mitschuldig sein.

Lebst du noch vegan?

Ja, seit nunmehr 25 Jahren. Und mein ganzes Leben lang bin ich schon Straight Edge, wenn du so willst, mit Ausnahme einer Phase, als mich Gleichaltrige dazu brachten Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht tun wollte.

Zu Beginn des Interviews hast du von deinem damaligen Idol Ted Nugent gesprochen. Weißt du, dass er ein Buch mit dem Titel „Kill It & Grill It“ geschrieben hat? In dem besagten Buch beschreibt er, mit welchen Waffen man welches Tier erlegt und welche Menüs man damit zubereiten kann. Es ist auch voller Fotos, auf denen seine Kinder mit erlegten Tieren posieren.

Nein, das Buch kenne ich nicht. Er hat immer gesagt, dass er nur Fleisch essen würde, das er selbst erlegt hätte – das ist kein Geheimnis. Aber als ich damals Ted Nugent gehört habe, aß ich selber noch gerne Steaks. Ich bin ein Hippie-Kind. Wir waren bei McDonald’s und ich habe alles gegessen, was auf der Speisekarte stand. Ich habe sogar McDonald’s-Kram mit zu Punkrock-Shows gebracht. Ich bin oft ins Cathay de Grande, das war ein kleiner Club in Hollywood, gegangen und vorher sind wir halt zu McDonald’s, möglichst kurz bevor sie Feierabend machten, und haben all das Zeug, was sie eigentlich wegwerfen wollten, geschnorrt und es dann beim Gig an unsere Freunde verteilt. Das war 1981 oder 1982. Ich bin nicht vegan erzogen worden, ich habe es später gelernt. Es war nicht einfach. Nicht so wie heute, wo du überall vegan einkaufen kannst. Ted Nugent habe ich gehört, als ich noch ein Kind war, denn er war schnell, aufregend und voller Energie. Er war der einzige Rock’n’Roller dieser Zeit, der keine Drogen nahm. Er war sogar ausdrücklich gegen Drogen und hat dies auch öffentlich gesagt. Seine Musik war hart und schnell und hat viele spätere Punkrocker beeindruckt, darunter Henry Rollins und Ian MacKaye. Außerdem war da diese „Bad-ass“-Haltung. Keiner ahnte, dass er ein total konservativer Drecksack war. Das wurde erst viel später deutlich. Vielleicht war er damals schon so, aber wir wussten es nicht. Man kann nicht ignorieren, was einen als Kind beeindruckt hat. Keine Ahnung, wie ich damals darüber dachte, wahrscheinlich fand ich es interessant.

Was können wir in Zukunft noch von dir erwarten?

Ich plane weitere Ausstellungen. Dann arbeite ich noch an einem Buch, das die besten Bilder aus „Fuck You Heroes“ und „Fuck You Too“ enthalten wird, weil beide nicht noch mal neu aufgelegt werden. Dieser ganze Verlagskram kostet sehr viel Zeit. Vielleicht veröffentliche ich „My Rules“ als digitales Buch. Und natürlich verwende ich viel Zeit darauf, meinen Sohn großzuziehen, und auf andere familiäre Angelegenheiten.