Für Punk- und Hardcore-Fans im Westen Deutschlands gibt es seit Jahren schon einen gar nicht mehr so geheimen Geheimtip in Sachen Festival, der vor allem einen Vorteil hat: Es kommen nicht auf eine Band, die man sehen will, zwei solche, bei denen man sich fragt, wer die sehen will. Die Rede ist vom „Groezrock“, das am 22./23. April 2011 in belgischen Meerhout – zwei Stunden Autofahrt von Köln entfernt – mit Headlinern wie FLOGGING MOLLY, NOFX und DESCENDENTS zum zwanzigsten Mal stattfindet. Ich stellte Mitveranstalter Hans ein paar Fragen.
Wie würdest du jemandem das Groezrock beschreiben, der noch nie da war, und warum sollte es jemand, der Punrock und Hardcore mag, nicht verpassen?
Es ist das größte Punkrock/Hardcore Festival in den Benelux-Staaten und bringt an zwei Festivaltagen die besten Acts auf drei Bühnen und eine Talentbühne. Wenn du neue, erfrischende Bands oder „the next big thing“ sehen, oder bei bekannten Bands, die es schön länger gibt, abgehen willst, dann ist das der richtige Ort für dich.
20 Jahre Groezrock. Gib mir mal einen kleinen Überblick über die Ursprünge des Festivals, seine Geschichte und die Entwicklung.
Es hat vor 20 Jahren als kleines Pop/Rock Festival mit ein paar lokalen Rockbands angefangen. Im ersten Jahr hatten wir 300 Besucher und niemanden hat es so richtig interessiert. Nach zwei Jahren bekamen wir ein Tape von BROTHERHOOD FOUNDATION, einer Crossover-HipHop-Metal-Band. Die meisten von uns waren Skater und hörten Punkrock oder Hardcore – Bands, die auf Labels wie Lost & Found waren. BROTHERHOOD FOUNDATION waren die niederländische Antwort auf Bands wie BIOHAZARD und wir mochten sie sehr. Das war der Sound, mit dem wir arbeiten wollten. Sehr bald schafften wir es, ein Konzert mit DE HEIDEROOSJES und RYKER’S auf die Beine zu stellen und so war das Groezrock geboren. Immer mehr Leute haben davon Wind bekommen und das Festival wurde für diese Musikrichtung eines der größten in Europa. Vielleicht hatten wir einfach nur Glück, damit in Belgien eine Lücke füllen zu können. Und jetzt, nach all den Jahren, machen wir es immer noch aus der Liebe zur Musik. Das Groezrock ist für die zehn Leute, die alles organisieren, ein Hobby, das wir sehr lieben. Neben dem Festival haben wir alle normale Jobs, deshalb ist es manchmal schwer, alles unter einen Hut zu bringen. Aber wir haben immer noch eine Menge Spaß daran und denken nicht ans Aufhören. Aber was die Zukunft bringt, das kann keiner wissen.
Was waren bis jetzt die Highlights, was lief scheiße?
Die isländische Vulkanasche im Jahr 2010 war richtig scheiße. Einige coole Bands konnten nicht kommen, da kann man natürlich nichts machen, aber viele Leuten haben darauf gewartet, speziell diese oder jene Band zu sehen. Das ist dann wirklich ärgerlich. Andererseits hätte es aber auch schlimmer sein können, deshalb waren wir ziemlich froh, dass das Festival stattfinden konnte. Etwas, an das ich mich auch noch sehr gut erinnere, war das erste Mal, als FLOGGING MOLLY beim Groezrock gespielt haben. Nach der Show hatten sie eine Jam-Session im Presse/VIP-Bereich, und alle hatten sehr viel Spaß. Jedes Jahr treffen sich viele Bands Backstage, die sich lange nicht gesehen haben. Meistens endet das darin, dass sie später zusammen auf der Bühne stehen. Das Publikum liebt solche Momente.
Ihr arbeitet mit Sponsoren wie Eastpak zusammen. Wie wichtig sind solche Firmen, um ein Festival wie das Groezrock am Laufen zu halten?
Das Wichtigste für ein Festival ist das Line-up. Wenn es kein Line-up gibt, können wir gar nicht erst anfangen. Marken wie Eastpak, Etnies, Macbeth und Atticus sind sehr bekannte Marken, die eine gute Verbindung zu unserer Musik und der Sache, die wir machen, haben. Die Idee, das Konzept – es passt einfach zusammen. Wir helfen uns gegenseitig, uns zu fördern.
Wie viel Arbeit steckt in so einem Festival?
Weil jeder von uns wie gesagt einen Vollzeit-Job hat, stecken wir an den Wochenenden und vor beziehungsweise nach der Arbeit viel Zeit in das Festival. Wir fangen nach dem Sommerfestivals, Anfang September, an und meistens arbeiten wir daran bis Ende Juni. Es sind über 650 Leute, die während des Festivals jeden Tag für uns arbeiten, also Thekenpersonal, Eingangskontrolleure, Security und so weiter.
Ich habe den Eindruck, dass die Festivals hier in Deutschland – und ich vermute alle in Europa – jedes Jahr ihre Headliner früher bekannt geben. Wann geht die Jagd nach einem exklusiven Headliner los, wie hart ist der Wettbewerb und was braucht es, um jedes Jahr eine exzellente Mischung an Bands auf die Beine zu stellen?
Was die Bands betrifft haben wir jetzt schon ein paar Ideen für 2012, aber richtig konkret wird es erst Anfang September. Es ist nicht leicht, ein gutes Line-up mit verschiedenen Stilen, neuen und frischen Bands, älteren und Reunion-Bands zu bekommen. Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du. Es geht auch nicht nur um Geld, sondern eher darum, ob eine Band in dem Zeitraum überhaupt verfügbar ist. Wenn keine Tour geplant ist, kostet es natürlich mehr, weil man Extrakosten wie Flüge, Hotel und Transporte einkalkulieren muss. Aber wie jedes Jahr versuchen wir, die meisten der Bands zu bekommen, die die Leute in ihrer Top 3-Wunschliste über unsere Website an uns schicken.
Während viele große Festivals eine sehr breite Palette an Bands haben, wo man viel Mist ertragen muss, um ein paar gute Bands sehen zu können, bleibt ihr sehr strikt bei Punk und Hardcore. Wie wichtig ist euch dieser Grundsatz?
Anfangs waren wir ein Pop/Rock Festival, und es hat niemanden interessiert, weil es so viele gab. Also haben wir uns dazu entschieden, unser eigenes Ding zu machen. Es gibt keinen strengen Grundsatz, aber man wird bei uns nie Bands wie ARCADE FIRE oder die CHEMICAL BROTHERS zu sehen bekommen. Es gibt da draußen so viele interessante Bands, und wir lernen jedes Jahr neue kennen. Und es ist ziemlich cool, wenn du eine Band, von der niemand vorher etwas gehört hat, zum ersten Mal beim Groezrock siehst und sie ein paar Jahre später große Hallen füllen. Das zeigt uns, dass wir immer richtig liegen und einen guten Musikgeschmack haben.
Und wir schafft ihr es, dass eure Nachbarn euch nach all den Jahren noch mögen und ihr jedes Jahr wiederkommen dürft?
Es steht keine große Firma hinter dem Groezrock. Wir sind nur ein Haufen Freunde, die in der Stadt wohnen, in der wir das Festival organisieren. Wir kennen alle Nachbarn persönlich, weil wir uns nach dem Festival immer im lokalen Pub, auf irgendeiner Hochzeit oder einem Barbecue treffen. Es gibt also viel persönlichen Kontakt. Wir versuchen auch immer, die Nachbarn in das Projekt mit einzuspannen. Sie genießen es, dass all diese Leute ein paar Tage vor ihren Häusern parken, Hallo sagen und ein Bier zusammen trinken. Das ist es wahrscheinlich, was uns von größeren Festivals unterscheidet.
Übersetzung: Ines Sagurski
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #95 April/Mai 2011 und Joachim Hiller