Die HOTKNIVES waren und sind ein sehr heller Stern am schwarz-weiß karierten Ska-Himmel. Seit Jahrzehnten sind sie ein zuverlässiges Highlight auf Konzerten, sie haben nie eine schlechte Platte veröffentlicht, wurden vom Melody Maker als eine der „Top 5 britischen Ska-Bands aller Zeiten“ geehrt und seit der Gründung 1982 hat die Band nichts von ihrer Faszination verloren. Und das, obwohl seit zehn Jahren kein neues Album mehr veröffentlicht wurde. Im speziellen Fall versammelten sich die Jungs aus Brighton im Backstage-Raum der Oberhausener Turbinenhalle, als sie am 12. Februar 2010 auf dem Sun Of A Bastard Festival als einzige Ska-Band an einem eisig kalten Freitagabend eine feurige Show spielen sollten. Keyboarder Richard Allen plauderte gutgelaunt über das langerwartete neue Album „About Time“, welches im Sommer erscheinen wird.
Habt ihr eine ungefähre Vorstellung, die wievielte Show das heute Abend für euch auf deutschem Boden ist?
Das wissen wir leider nicht, wir haben vor circa 16 bis 17 Jahren das erste Mal in Deutschland gespielt. Mittlerweile haben wir bestimmt 300 oder 400 Gigs auf dem Buckel, wenn man die Touren und Festival-Auftritte mitrechnet.
Ihr seid heute als einzige Ska-Band die musikalische Ausnahme, sonst spielen durch die Bank Bands aus dem Oi!-und Punk-Bereich. Interessiert euch das dennoch?
Doch natürlich, wir versuchen gerade auf Festivals mit unterschiedlicher Musik, dass wir von den anderen Bands soviel wie möglich mitbekommen. Wir haben nichts gegen Bands aus dem Oi!-Sektor, obwohl wir eigentlich nicht sehr oft zusammen mit Oi!-Bands spielen. Wir haben zum Beispiel noch nie mit den REJECTS zusammen gespielt, aber das liegt nicht daran, dass wir darauf keinen Bock hätten. Es hat sich einfach nie ergeben, das Gleiche gilt auch für COCK SPARRER, eine wahnsinnig gute Band, aber es ist leider nie passiert bis jetzt. Wir sind halt meistens mit Bands unterwegs, die einen ähnlichen Sound wie wir machen. In Deutschland zum Beispiel so was wie K-MOB, SPICY ROOTS oder Mark Foggo aus Holland.
Heute ist ja nur noch euer Schlagzeuger als einziges wirkliches Originalmitglied der HOTKNIVES dabei, oder?
Ja, richtig, die Band wurde ursprünglich von Gary Marshall gegründet, der immer noch mit Interesse die Entwicklung der Band verfolgt. Clem und die anderen Musiker haben sich damals Garry angeschlossen. Gary ist aber nicht mehr dabei, er eröffnete damals seinen eigenen Musikladen. Wir anderen waren damals eigentlich eher nur Fans der Ska-Szene, aber nie richtig involviert. Wir „Neuen“ sind in der Band seit sechs, 16 und 17 Jahren. Es passierte immer alles rund um uns, aber wir kamen, wie gesagt, eher über die Liebe zur Musik dazu.
Und genau diese Liebe hat anscheinend auch nach all den Jahren bis heute angehalten, oder was motiviert euch genau dazu, dass ihr immer noch soviel Spaß und Spielfreude an den Tag legt?
In erster Linie wahrscheinlich das Feedback aus dem Publikum. Wir haben letztes Jahr beispielsweise nach acht oder neun Jahren das erste Mal wieder in Hannover gespielt und all die alten Leute tauchten wieder bei dem Konzert auf, ein Haufen bekannter Gesichter war vor der Bühne zu sehen, teilweise brachten sie auch schon wieder ihre eigenen Kinder mit.
Wie schaut das Ganze bei euch in England aus?
Es läuft gut. Wir spielen in einigen Wochen in Brighton. Im Moment kann man eine neue Entwicklung von Ska-interessierten Jugendlichen hier in England beobachten. Die SPECIALS haben vor kurzem in Brighton gespielt und es war fantastisch, sie wieder gesehen zu haben.
Im Vorfeld zu dem Konzert heute gab es ja auch irgendwie viel Gerede und Gerüchte und man hat euch vorgeworfen, dass ihr auf einem zwielichtigen Festival spielen würdet.
Stimmt, du meinst bestimmt die Diskussion aus dem Ska-Talk-Forum. Ich habe dort ein Statement abgegeben, um das Ganze aus dem Raum zu schaffen. Ich glaube, das war einfach nur eine weiterführende Sache, über die Gerüchte, dass einige Bands in der Oi!-Szene angeprangert werden, rechts zu sein. Wir kennen die Geschichte von STOMPER 98, die ja auch auf dem Festival spielen, und wir wissen auch Bescheid über diesen Skandal um das Foto mit dem ENDSTUFE-Mitglied. Die Band spricht sehr offen darüber auf ihrer Website. Jeder macht mal Fehler. Es ist nicht so, dass wir vor solchen Dingen die Augen verschließen, und wir informieren uns immer sehr gut im Vorfeld, wo wir auftreten werden. Im Falle von dem Festival heute fiel uns das nicht sonderlich schwer, denn wir kennen Sunny Bastards gut genug, um zu wissen, wie sie drauf sind, und dass sie niemals mit so einem Schwachsinn zu tun haben würden. Wir sind klar gegen Rassismus und wir sind auch ganz sicher, dass jede einzelne andere Band hier genau die gleiche Einstellung vertritt. Sonst würden sie sich hier bestimmt nicht wohl fühlen. Wir würden also niemals auf einem fragwürdigen Festival spielen oder mit einer politisch verwirrten Band die Bühne teilen.
Ihr habt zwar nicht sehr viele Platten veröffentlicht, aber man stolpert immer wieder einmal über eure Veröffentlichungen in Läden und Online-Shops. Das ist ein guter Hinweis, dass stets eine Nachfrage nach den HOTKNIVES bestehen dürfte, denn ansonsten würde eure Scheiben doch keiner mehr anbieten. Euer letztes Album liegt auch schon wieder einige Jahre zurück, ihr plant da ja endlich etwas Neues. Aber was ich eigentlich fragen wollte: Habt ihr eine ungefähre Ahnung, wie viele Platten ihr bisher ungefähr verkauft habt?
Nein, leider! Wir haben da mittlerweile gar keinen Einblick, das ist auch der Grund, warum wir von unserem alten Label weggegangen sind. Um es deutlich zu sagen, damit hier keine Gerüchte aufkommen, wir haben und hatten niemals Streit mit Ossi von Grover Records, er ist ein sehr netter Kerl und hat immer sehr viel für uns getan. Aber irgendwie steht er ständig unter Stress und konnte sich so nicht so um uns kümmern, wie wir uns das vorstellen. Es hat sich halt so ergeben, wir haben jetzt nicht gesagt, so, jetzt ist der Punkt da, wo wir ein neues Label haben möchten. Gerade hier in Europa haben wir bestimmt sehr viele Scheiben verkauft, wir spielen in Deutschland oder generell in Mitteleuropa viel öfter als beispielsweise in England. Wir waren auch schon in Japan auf Tour. Wir sind also bestimmt keine unbekannte Band.
Gut, dann lass uns über euer seit langem überfälliges, neues Album reden.
Ja, wir haben alle Aufnahmen jetzt fertig und das Album wird im Sommer veröffentlicht. Wir haben vor vier Jahren angefangen, das Album mit dem Produzenten aufzunehmen, der auch „Home“ gemacht hat. Aber es hat irgendwie nicht funktioniert. Wir haben dann ein Jahr später, also vor drei Jahren, mit dem Produzenten King Glover weitergemacht, der mit einer Vielzahl von Ska-, Dub- und Reggae-Künstlern, einschließlich der WAILERS, zusammengearbeitet hat. Durch seine harte Arbeit, sein Talent und seine unglaubliche Geduld haben wir das Gefühl, unser bisher bestes Album produziert zu haben. Und wir haben auf dem Album jetzt auch das erste Mal wieder Bläser mit dabei, ganz früher hatten wir einige Zeit einen Saxophonisten, aber der hatte irgendwann keinen Bock mehr. Es funktioniert ja auch ganz gut ohne Bläser, viele andere Bands sind auch immer ohne Bläser ausgekommen, aber es ist einfach viel leichter, Songs damit auszubauen. Live haben wir es noch nicht probiert, das ist auch immer schwieriger, mit ein paar Leuten mehr im Gepäck weiter entfernte Shows zu spielen. Aber dennoch wird die Scheibe genau unserem alten Stil entsprechen, wir haben unsere Einflüsse ja nie unter den Tisch gekehrt. Wir haben auch mit vielen Jamaikanern zusammen gespielt, unsere Haupteinflüsse kamen dennoch immer von englischen Bands wie SELECTER und anderen. SELECTER hatten ja auch nie Blasinstrumente dabei. SELECTER sind ja heute auch nicht wegzudenken, nach gewissen Bands besteht halt immer Nachfrage, das ist mittlerweile ja von einer Generation zur nächsten übergreifend.
Auf der neuen Scheibe gibt es einen Song bei dem Dub & Raggamuffin-Sprechgesänge die Harmonien perfekt ergänzen. Wer hat den Part übernommen?
Unser Freund Dr. Ring Ding war so nett, den Raggamuffin-Sprechgesang zu übernehmen, und wir sind sehr stolz darauf, mit ihm zusammengearbeitet zu haben. Das Lied heißt „Communication“ und es geht um zwischenmenschliche Kommunikationsprobleme. Es ist auch biografisch, da es eine Nacht in Rom erwähnt, in der wir ein Konzert hatten. Stu und Bosky wurden die Handys geklaut und drei von uns haben versucht, per Anhalter auf einem Milchwagen mitzufahren. Stu hat dabei auf Spanisch versucht, mit dem Fahrer zu sprechen. Es handelt ebenso von einer Nacht in Hamburg, als wir auf einem Vergnügungsboot gespielt haben, und nach dem Gig von der Bereitschaftspolizei mit Tränengas empfangen wurden. Vielleicht hatte denen unsere Musik nicht gefallen ...
Eure Musik ist doch auch teils sehr poppig-eingängig und gefühlsbetont. Der Übergang von Reggae, Rocksteady zu Ska ist im Midtempo-Bereich ja doch fließend. Wie würdet ihr selbst den typischen HOTKNIVES-Sound beschreiben?
Der typische HOTKNIVES-Sound ist verwurzelt in Jamaican Reggae, Ska, Soul-Musik und ein wenig Punk, gemischt mit dem Sound sehr britisch klingender Bands, wie THE JAM, THE CURE, 2Tone-Ska und Britpop. Die eingängigen Melodien zum Mitsingen machen unseren Sound poppig.
Überhaupt seid ihr anscheinend Perfektionisten – oder aber etwas faul, ich erinnere mich, dass ihr vor vier bis fünf Jahren schon mit den ersten Studioaufnahmen begonnen habt, oder?
Für die Aufnahmen konnten wir nur ins Studio, wenn wir die Zeit und das nötige Geld zusammen hatten. Wir haben dieses Album daher in einer für uns unüblichen Weise aufgenommen. Nebenbei sind wir auch sehr beschäftigt mit unserem privaten Leben und natürlich – wir sind faul.
Dann warten wir gespannt auf das neue Album und eure nächsten Gigs.
Dieses Album wurde in so einer Eile produziert, dass wir noch gar keine Zeit hatten, über unsere Zukunft nachzudenken. Wir hoffen, in naher Zukunft weitere Album zu produzieren und für noch mehr Ska-Fans zu spielen, so lange, bis wir zu alt sind, um Gigs zu spielen, und durch eine jüngere Generation bei den HOTKNIVES ausgetauscht werden. Wir hoffen, dass die HOTKNIVES noch lange nach unserem Abgang weiter existieren.
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