SOZIEDAD ALKOHOLIKA sind die bekannteste "junge" baskische Punk/Hardcore-Band. 1988 gegründet, gehören sie schon zur zweiten Welle des Baskenpunks. 1990 veröffentlichen sie ihr Demo "Intoxikazión etílika", das sich über 1.500 mal verkauft und die Band über Nacht in Spanien bekannt macht. Bis heute hat die Band neun Platten veröffentlicht und betreibt seit 1995 ihr eigenes Label Mil A Gritos Records. Musikalisch haben SOZIEDAD ALKOHOLIKA als Funpunk-Band angefangen und sind dann immer schneller geworden: fast metallischer Knüppel-Hardcore. Inzwischen "crossovern" sie aber auch - wie viele baskische Bands - und mischen Reggae, Salsa etc. mit ein.
Wer seid ihr?
Ich bin Juan, der Sänger, Jymmy und Jabi spielen Gitarre, Pirulo Bass und Roberto Schlagzeug. Wir sind alle aus Vitoria, bis auf Jabi, der kommt aus Bilbao. Vitoria ist eine ruhige Stadt mit etwa 200.000 Einwohner, sehr schön, mit vielen Parks und einer Altstadt aus dem Mittelalter. Es gibt genug aber Möglichkeiten für engagierte Leute, was zu machen, da Vitoria eine Arbeiterstadt ist. Wir haben unter anderem das älteste besetzte Haus des Baskenlands.
Warum habt ihr euch gegründet? Welche Vorbilder hattet und habt ihr?
Wir waren einfach ein paar Freunde, die sich kannten, weil sie in den gleichen Kneipen abhingen. Zufällig hat uns allen schnelle Musik gefallen und mit einer Band konnten wir richtig schön die Sau rauslassen. Als wir anfingen haben wir vor allem CICATRIZ, LA POLLA RECORDS, GBH und SLAYER gehört. Heute sind wir gegenüber allem offen, die DELINQUENT HABITS gefallen uns besonders gut.
SOZIEDAD ALKOHOLIKA hört sich ja nach Funpunk mit Texten übers Saufen an. Ihr habt aber ganz ernsthafte Texte...
Naja, als wir uns den Namen ausgedacht haben, wussten wir gar nicht, was wir für Texte machen. Und ganz ehrlich: Zu der Zeit haben wir auch ziemlich viel Zeit in Kneipen verbracht.
Man sieht in ganz Spanien Kids mit euren T-Shirts. Ist der Name Teil oder sogar Grund eures Erfolgs?
Ja, unser Logo ist natürlich Teil unseres Erfolgs, einfach weil es so einprägsam ist. Wir verdienen übrigens nichts an den T-Shirts, weil fast alles Bootlegs sind.
Warum habt ihr euer eigenes Label gegründet?
Wir hatten einfach schlechte Erfahrungen mit anderen kleinen Labels und wir haben gedacht, dass wir das, was die machen, besser machen können. Ausserdem wollten wir auch anderen Bands, die wir interessant finden, die Möglichkeit geben, Platten zu veröffentlichen.
Lebt ihr von dem Label?
Nein, wir finanzieren uns im wesentlichen aus den Konzerten, die wir spielen. Die Band leitet zwar das Label, aber keiner von uns arbeitet direkt mit. Pedro, unser alter Gitarrist, macht alles und er investiert alle Erlöse aus dem Label in neue Platten.
Seid ihr auf einen bestimmten Musiktyp für euer Label beschränkt?
Nein, natürlich nicht, aber laute und schnelle Musik gefällt uns am besten. Wir veröffentlichen Bands, die uns gefallen.
Wieviele Platten verkaufen SOZIEDAD ALKOHOLIKA?
Im Schnitt etwa 35.000 Stück von jeder Platte, fast alle in Spanien, einige in Argentinien und Mexiko und sicherlich auch ein paar in Deutschland.
Ihr seid ja sogar mal - 1993 - durch Deutschland getourt. Wie hat´s euch damals gefallen? Ich fand euer Konzert in Berlin jedenfalls klasse.
Die Tour war sehr gut, die Konzertbesucher hatten Spass und wir auch. Wir haben meist in kleinen Kneipen oder besetzten Häusern gespielt und mussten deshalb oft mit schlechtem Equipment zurechtkommen, so dass wir immer einen schlechten Sound hatten. Ja, das Berliner Konzert war wirklich klasse.
Und weitere Touren?
Wir hoffen ja, dass es dieses Jahr endlich mit Argentinien klappt, aber es ist noch nicht sicher. Wir würden gerne auch wieder nach Deutschland kommen, aber es sieht nicht so aus, als ob sich ein Tourpromotor für uns interessiert.
Was hältst du von der baskischen Szene im Moment?
Es gibt eine sehr breite Musikkultur im Baskenland und die Qualität wird ständig besser. Da es viele besetzte Häuser gibt, können Bands überall auftreten und das ist klasse. Einige baskische Bands, die mir zur Zeit gut gefallen, sind (SÍMBOLO 3PI2) LT, EKON, DUT und BETAGARRI.
Ihr habt spanische Texte, warum?
Unsere Eltern haben leider kein Baskisch gesprochen und wir haben es auch nicht gelernt. Wir können einfach kein Baskisch und verwenden deshalb Spanisch für unsere Texte. Ich find´s auch logisch, in der Sprache zu singen, in der du denkst. Weil ich nicht in Baskisch denke, werde ich baskische Texte weder schreiben noch singen. Das wäre einfach unwirklich.
Lernst du Baskisch?
Ja, ich bin allerdings der einzige aus der Band, der Baskisch lernt. Es gibt ja viele Leute im Baskenland, die kein Baskisch sprechen. Während der Franco-Diktatur war es verboten, baskisch zu sprechen, so dass die Sprache eigentlich nur in Dörfern und abgelegenen Regionen überlebt hat und in den grösseren Orten kaum noch benutzt wurde. Heute werden grosse Anstrengungen unternommen, Baskisch zu unterstützen, damit die Sprache nicht ausstirbt. Schliesslich ist Baskisch die älteste Sprache Europas und ein Symbol, dass die Basken ein Volk sind.
Siehst du dich als Baske oder als Spanier?
Wenn du mich Spanier nennst, sage ich dir: Nein, ich bin Baske, weil meine Kultur und Art zu sein und zu leben viel mehr mit dem Baskenland als mit Spanien zu tun hat. Ich kann mich mit Spanien überhaupt nicht identifizieren, aber ich bin kein Nationalist, sondern Internationalist. Meiner Meinung nach haben die Völker das Recht, ihre Zukunft frei zu bestimmen, und obwohl mir die Unabhängigkeit des Baskenlands mehr oder weniger egal ist, finde ich, dass das baskische Volk ein Recht zur Selbstbestimmung hat. Also: Ein Referendum über die Unabhängigkeit, das vom spanischen und französischen Staat respektiert wird.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #36 III 1999 und Dirk Gomez
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #80 Oktober/November 2008 und Tobias Ernst