Vor ein paar Jahren war ich bei einem Bekannten, der Sammlungen aufkauft, um einzelne Artikel auf diversen Internet- und Plattenbörsen anzubieten. In einer der Kisten stieß ich auf die CD "Lipstick To Japan" von SUZY & LOS QUATTRO. Geschenkt. Echt? Super. Danke! Erstklassige Platte, die mich an eine Mischung aus BLONDIE, früher Kim Wilde und RAMONES Mitte/Ende der 80er erinnerte. Für manche Punks zu poppig, für den Popmarkt zu energisch. Ganz mein Geschmack und für Genrefetischisten am ehesten noch im Powerpop anzusiedeln. Im Juni erschien nach drei langen Jahren endlich der Nachfolger "Stick With It", produziert und mit musikalischer Unterstützung von Robbie Rist und Tim Cross (THE ADVERTS, Mike Oldfield). Welche weiteren Neuheiten SUZY & LOS QUATTRO uns mit dieser Platte präsentieren, haben mir die Sängerin Suzy Chain und Gitarrist B.B. Quattro mitgeteilt, die übrigens mittlerweile verlobt sind ...
Wo lebt ihr derzeit?
Suzy: Derzeit leben wir alle in Barcelona, Spanien.
Und was macht ihr außerhalb eures Quattro-Musikerdaseins?
Suzy:Vom Krustentierlieferanten, Fahrer, Booking-Agenten und Geschäftseigentümer bis hin zum Anwalt für Urheberrecht haben wir alles dabei.
Was tut sich derzeit in Sachen Musik in Barcelona?
B.B.: Barcelona entwickelt sich immer mehr zu einer Modestadt. Trotzdem existiert dort eine kleine, coole Szene verschiedenster und bemerkenswerter Bands wie THE MEOWS oder THE FABULOUS OTTOMANS.
Ihr beiden wart schon vor der Band zusammen. Suzy kam etwas später als Sängerin dazu. Inwieweit ist so eine private Beziehung förder- und/oder hinderlich für eine Band?
B.B.: Viele Leute finden das großartig, zusammen mit seinem/seiner Verlobten in einer Band zu spielen, aber in Wirklichkeit versuchen wir, Band und Privates zu trennen. Wir treten also nicht als Rock'n'Roll-Liebespaar mit zwei weiteren Kerlen auf. Wir sind ein Team und jeder im Team ist gleich wichtig.
Und warum hat sich eure Besetzung in der Zwischenzeit verändert?
Suzy: Als Band, die nun doch schon etwas länger existiert, haben wir eine Entwicklung mitgemacht, so wie die meisten Bands: Man arbeitet hart, und irgendwann ist für den einen ein "normales" Leben ohne all den Bandstress wichtiger, und andere wollen eben in anderen Bands spielen. Johnny arbeitet sehr erfolgreich an seiner Karriere als Drehbuchautor für TV-Comedyshows, während Coky und Tommy ihren Fokus auf andere musikalische Projekte gerichtet haben. Wir wünschen ihnen auf alle Fälle viel Glück dabei!
Woher kommen die neuen Quattros Joey und Yuri?
B.B.: Joey Quattro ist von der großartigen 70er-Jahre-Rockband THE MIDNIGHT TRAVELLERS und Yuri Quattro überrascht jeden, indem er bei uns wie ein verrückter Rock'n'Roller auf das Schlagzeug eindrischt, obwohl er bei SOWETO Schlagzeug spielt, einer Institution in Sachen jamaikanischer Musik in Spanien.
Robbie Rist und Tim Cross - sind die beiden auch richtige Quattros?
B.B.: Schön wär's, und wenn wir millionenschwere Rockstars wären, könnten wir uns die beiden in der Band auch leisten, aber momentan ist das noch nicht möglich. Es war so großartig, dass sie mit uns an den Stücken gearbeitet und das eine oder andere mit eingespielt haben. Ihre Anregungen waren ausgezeichnet.
Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
B.B.: Robbie kennen wir schon viele Jahre, seit wir mit einer seinen vielen Bands, THE MOCKERS, auf Tour waren. Das war wie Liebe auf den ersten Blick. Für uns war er ein unglaublich faszinierender Gitarrist, und er wurde ein großer Fan von uns, da wir die gleichen musikalischen Wurzeln haben. Als wir uns entschieden, mit einem Produzenten zu arbeiten, gab es keinen Zweifel, Robbie sollte es sein. Der Rest war sehr schnell vereinbart. Wie er unsere neuen Stücke bearbeitet und trotzdem die Quattro-Formel berücksichtigt hat, damit hat er die Band ein großes Stück vorangebracht. Tim Cross traf ich in Deutschland, als ich mit TV Smith in seiner Band die "Crossing The Red Sea"-Konzerte gespielt habe. Nach einer mehr als dreistündigen Unterhaltung über Musik haben wir beschlossen, irgendwas gemeinsam zu machen.
Und wie war das mit TV Smith?
Suzy: Vor einigen Jahren sahen wir ihn mal im Wild At Heart in Berlin. Daraufhin haben wir das Booking seiner Konzerte mit uns als seiner Backing-Band in Spanien übernommen. Alle Achtung vor seiner über 30-jährigen Karriere. Wir wurden gute Freunde und so kam es, dass wir an manchen Projekten gemeinsam arbeiteten.
Das gab sicher auch eurer Karriere einen mächtigen Schub?
B.B.: Ich denke, davon profitierten beide Seiten. Wir waren so was wie sein Schlüssel für das spanische Publikum, und wir bekamen den Zugang zu vielen seiner Fans. Durch diese Verbindung kamen auf der letzten Deutschlandtour einige seiner Fans, um uns mal zu hören. Darüber sind wir natürlich total glücklich.
Wo liegen in der Produktion zwischen "Ready To Go!" und dem neuen Album "Stick With It" die wesentlichen Unterschiede?
B.B.: "Ready To Go!" war ein einfaches, aber sehr schönes Punkpop-Album: Frisch und einfach gehalten, aber alles recht gleichförmig. Nichts daran wurde außerhalb produziert. Was man auf dem Album hört, ist fast exakt so aus dem Proberaum übernommen. "Stick With It" durchlief einen ganz anderen Prozess. Bevor Robbie nach Spanien kam, um mit uns zu arbeiten, schickten wir ihm vorab Demos. Als er dann hier war, verbrachte er mit uns erst drei Tage im Proberaum. Dort setzten wir seine großartigen Vorschläge um und arrangierten gemeinsam die Stücke, bis er ganz davon überzeugt war, dass wir wirklich jeden einzelnen Ton mit Herz spielten. Das war eine ganz wundervolle Erfahrung. Dann ging's ab ins Studio. Zwölf Tage verbrachte er dort fast ohne Schlaf - ein absoluter Workaholic. Aber alle seine Ideen waren eine Bereicherung. Ich würde sagen, "Stick With It" ist ein ausgezeichnet produziertes Album, aber Robbie sorgte dafür, dass es, wie er immer sagt, "das Haus rockt"!
Beim Hören eurer Musik muss ich zwangsläufig an die Musik der Zeit Ende der 70er, Anfang der 80er denken. Welche Bands aus dieser Ära hört ihr selbst? Fühlt ihr euch nicht auch irgendwie als Teil einer Art Retro-Musikszene?
Suzy: Die Band hat vielerlei großartige Einflüsse von der Musik aus den letzten Jahrzehnten, was sich nicht nur auf Pop oder Punkrock beschränkt. Einige Einflüsse stammen von Bands wie den BEACH BOYS, HONEYBUS, Phil Spector, RASPBERRIES und sogar CROSBY, STILLS & NASH. Das neue Album verbreitet einerseits Retro-Atmosphäre, andererseits aber bewegen wir uns in etwas modernen Richtungen, die auch Fans von WEEZER oder GREEN DAY gefallen.
Was assoziierst du mit "Powerpop" und "Punk"?
B.B.: Powerpop ist packende Musik mit erstaunlichen Melodien, gespielt mit jeder Menge Mumm und einer gewissen Gereiztheit. Punk ist viel mehr als drei Akkorde mit einem bestimmten Sound. Unter Punk verstehe ich, das zu tun, was ich für richtig halte, egal, ob es die Leute verstehen.
Ich kann es mir nicht verkneifen, euch nach der Parallele des Gitarrenintros von "Go on" und RAINBOWs "Since you been gone" zu fragen ...
B.B.: Glaubt es mir oder nicht, ich hatte nie dieses Lied von RAINBOW im Kopf, als ich das Riff schrieb. In Wirklichkeit kam die Hauptinspiration von DICTATORS' "Baby let's twist". Viele haben mich auf die Ähnlichkeit mit "Since you been gone" hingewiesen, also hörte ich mir den Song an und tatsächlich, fast gleich! Da hat mir mein Unterbewusstsein wohl einen Streich gespielt
Wie lief eigentlich eure kurze Tour in Deutschland im Frühjahr?
Suzy: Wie immer hatten wir einen Riesenspaß. Wir lieben Deutschland und waren sehr froh darüber, dass bei jedem Konzert einige Leute waren, die bereits alle unsere Stücke kannten. Es ist lange her, dass wir das erste Mal in Deutschland gespielt haben. Uns ist klar, dass wir wieder von ganz unten anfangen müssen. Wir hoffen aber, dass wir nach unserer Tournee im November und Dezember in Japan, im kommenden Jahr viele Gigs in Deutschland spielen werden.
Lief eigentlich eure 100. Show schon, die ihr mit vielen Überraschungen angekündigt habt?
Suzy: Noch nicht. Wir arbeiten daran. Nach den Sommerfestivals planen wir für die 99. Show in Barcelona einige Besonderheiten, vielleicht auch mit diversen Überraschungsgästen.
b]Noch einmal zu Japan. Erzählt von euren Eindrücken, als ihr das erste Mal dort getourt habt und was ihr für dieses Mal erwartet?[/b]
Suzy: Mit Japan wurde ein Traum Wirklichkeit. Wir hatten keinerlei Vorstellungen, was uns dort erwarten würde. Unsere Platten verkauften sich ganz gut dort, aber dass wir auf einmal zwei ausverkaufte Konzerte in Tokio und vor Hunderten kreischenden und weinenden japanischen Fans spielen würden, hätten wir uns nicht träumen lassen. So müssen sich die verdammten BEATLES gefühlt haben. Wir konnten es kaum glauben, dass die Menge so auf uns abfuhr. Die Reaktion des Publikums war unbeschreiblich, überwältigend. Sie kannten wirklich alle unsere Songs, selbst das Zeug von diversen obskuren Singles. Wir wurden überschüttet mit Geschenken. Was für ein herzlicher Empfang. Mittlerweile ist Japan unser größter Absatzmarkt geworden. Trotz der Entfernung und der erheblichen Mehrkosten, um in Japan zu touren, freuen wir uns, dass es dennoch klappt und wir dort die neuen Stücke live vorstellen können.
Welchen Hit von Suzi Quatro würdet ihr mit der Rock'n'Roll-Lady gemeinsam live spielen wollen, hättet ihr die Gelegenheit dazu?
Suzy: Unser Bandname ist unter anderem auch als echte Anerkennung für sie zu verstehen, da ich sie und ihre Musik wirklich sehr schätze. Da ich wirklich Suzy heiße, gefiel uns die Idee mit der Nachnamen-Wortspielerei, wie man dies bereits von den RAMONES kannte. Suzi Quatro war die erste Frau im Rock'n'Roll-Geschäft, die ernsthaft ihr Ding durchzog und so richtig Ärsche trat. Ich würde alle ihre Hits spielen, sei es "Can the can" oder "48 crash".
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