1998 gründeten die Brüder Alex (Gesang, Gitarre) und Ollo (Schlagzeug) in einem saarländischen Kuhkaff mit dem Bassisten Blinn ihre Band PASCOW. Nachdem 2001 der zweite Gitarrist Swen zur Band gestoßen ist und sie auf dem eigenen Label Kidnap Music ihre erste 7" veröffentlichten, erschien 2002 das Debütalbum "Richard Nixon Discopistole", mit dem mich die Band sofort zum Freund ihrer Musik machte. Ihr energetischer Punkrock (auf den die dämliche Beschreibung "Melodycore meets KNOCHENFABRIK" durchaus zutraf) und die zum Teil herrlich unverständlichen Texte waren schon damals so eigenständig wie unwiderstehlich. Mit dem neuen, von ACROSS THE BORDER übergelaufenen Bassisten Bieber nahmen PASCOW 2004 ihr zweites Album auf, "Geschichten, die einer schrieb ...", das die Band gereifter, versierter und vielleicht auch etwas experimentierfreudiger zeigte. Im Oktober 2007 ist nun mit "Nächster Halt gefliester Boden" das dritte Album erschienen, das den bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens darstellt und zukünftige, noch größere Taten erwarten lässt.
Glückwunsch zum neuen Album. Ihr habt es tatsächlich geschafft, "Geschichten, die einer schrieb ..." noch zu toppen. Habt ihr eine Erklärung dafür, wie ihr das meistern konntet?
Alex: Vielen Dank! Für mich sind es zwei Dinge, die für die Entstehung des Albums wichtig waren: zum einen die eigenen Erwartungen, die seit der letzten Platte deutlich gestiegen sind und zum anderen das Wissen, wohin die Reise gehen soll. Wir wollten ein Album, das nach PASCOW klingt, aber keine Kopie der "Discopistole" oder der "Geschichten ..." ist. Wir haben viel Zeit und Arbeit in das Songwriting gesteckt und als wir ins Studio gingen, wussten wir, wie die Songs klingen sollten. Dazu kommt das noch nicht verlorene Vermögen, sich selbst für die eigene und für die Musik anderer begeistern zu können. Wenn ich eine gute Band höre oder sehe, kann ich mich davon anstecken lassen. Aus dieser Inspiration dann was Eigenes zu machen, das gut klingt, ist ein verdammt gutes Gefühl.
Swen: Mit jedem Album und jedem Konzert wachsen wir als Band mehr zusammen und so hat sich über die Jahre so etwas wie unser eigener Stil herauskristallisiert. Wir wollen aber nicht auf der Stelle treten, es muss eine Bewegung im Songwriting stattfinden. Es ist wichtig, hier und da etwas Neues auszuprobieren, um die Sache für uns selbst interessant und frisch zu halten. Das heißt aber nicht, dass wir verkrampft versuchen PASCOW Innovation einzuimpfen, sondern, dass wir mit Begeisterung so lange an einem Song arbeiten, bis wir selbst glücklich mit dem Stück sind. Ich habe den Eindruck, dass man diese Begeisterung für die Musik auf unseren Platten auch spüren kann. Vielleicht ist das der Grund.
Ollo: Wir haben im Vorfeld der Aufnahmen mehr experimentiert und auch wenig mit gegenseitiger Kritik hinterm Berg gehalten. Das hat zwar das eine oder andere Mal zu knallenden Türen und betroffenen Gesichtern geführt, hat uns aber auch weiter gebracht.
Zudem ist die Produktion fantastisch. Wo "Richard Nixon ..." noch sehr rauh und "Geschichten ..." im Nachhinein etwas zu dicht und "metallisch" klang, passt der Sound jetzt perfekt zur Musik.
Swen: Deine Kritik am Sound der alten Platten kann ich absolut unterschreiben. Vor allem der Gitarrensound auf der "Geschichten ..." klingt wirklich dünn und metallisch. Für "Nächster Halt gefliester Boden" waren wir zum ersten Mal in einem richtigen Studio und haben erstmals live aufgenommen.
Alex: Was haben wir im Vorfeld über Studios und Aufnahmetechnik diskutiert ... Der Sound des "Geschichten ..."-Albums ist zwar druckvoll, differenziert und klar, allerdings war es genau dieser "Metall-Charakter", den wir nicht mochten. Wir haben daher bei der neuen Platte ganz bewusst auf den Einsatz dicker Technik, auf Effekte und Sound-Experimente verzichtet und versucht, unseren Sound möglichst ungefiltert einzufangen. Es sollte so klingen, wie wir im Proberaum oder auch live klingen. Diesem Ziel sind wir sehr nahe gekommen.
Ihr seid auf "Nächster Halt gefliester Boden" aggressiver geworden, habt Melancholie und Wut besser kombiniert als zuvor, kommt jetzt zielstrebiger auf den Punkt.
Ollo: Wir sind in den jeweiligen Ausprägungen extremer geworden. Die "kryptische Scheiße" wurde reduziert und Aussagen klarer formuliert.
Alex: Die Aneinanderreihung cooler oder ergreifender Begriffe ist zwar oft interessant, spielte aber bei "Nächster Halt ..." kaum noch eine Rolle.
Bieber: Da uns niemand sagt: "Werdet ruhiger und massenkompatibler", muss das wohl eine ganz natürliche Entwicklung unsererseits sein. Ich bin froh, dass sich unser Alter oder die Erfahrung nicht ausschließlich in Midtempo-Songs niederschlagen. Persönlich wurde mein Musikgeschmack in den letzten Jahren eher wesentlich härter und nicht ruhiger.
Einen stärkeren Einfluss der "Jensen-Bands" auf "Nächster Halt ..." habe ich euch unterstellt. Ist da was dran?
Ollo: Das kommt eventuell dadurch, dass wir insgesamt das Tempo etwas reduziert, die Aggressivität erhöht und den Melodien mehr Platz eingeräumt haben. Dies ist aber nicht mit der Intention passiert, mehr nach "The Jensens" zu klingen, das überlassen wir anderen.
Alex: Ich mag "The Jensens" sehr und habe mich auch gerne davon beeinflussen lassen - bei "Von der dummen Kuh ..." auf der neuen Platte sicherlich mehr als bei anderen Stücken. Den Song mag ich auch sehr gerne, er spiegelt aber nicht den Sound oder die Grundstimmung von PASCOW wider, ist also mehr eine Hommage an diesen nordischen Sound als ein Versuch diesem nachzueifern.
"Deutschpunk", "Pop & Rock national", "Hamburg" und das, was vor einigen Jahren als "intelligenter deutschsprachiger Punkrock" gehandelt wurde - ihr passt in keine Schublade, in keine Szene. Wo seht ihr euch selbst?
Swen: Ich mache mir keinen Kopf, in welche Schublade wir passen könnten. Warum auch? Dafür sind doch Leute wie du zuständig. Viele Leute sehen uns im Deutschpunk, was wohl auch der Grund sein dürfte, weshalb wir bei "Punk im Pott" dabei waren.
Alex: Seit Beginn des Ganzen sitzen wir zwischen den Stühlen und fühlen uns dort auch wohl. Den Begriff Deutschpunk lehne ich nicht grundsätzlich ab, weil deutschsprachiger Punkrock besser ist als sein Ruf. Man muss nur genauer hinsehen. Vielleicht sind wir auch nur ein Irrtum in der Geschichte des Deutschpunks ...
Ollo: Die Leute machen sich zu viele Gedanken um Klassifizierungen. Wir werden auch ständig gefragt, warum wir unsere LPs bei Plastic Bomb veröffentlichen. Ganz einfach: weil wir uns dort wohl fühlen und es noch keine Probleme oder Diskussionen gab. Ansonsten kann ich diese Frage nur mit deinen eigenen Worten beantworten: PASCOW sind PASCOW sind PASCOW.
Ihr veröffentlicht eure Platten auf dem bandeigenen Label Kidnap Music, in Kooperation mit Plastic Bomb Records. Wäre ein Wechsel zu einem größeren Label denkbar?
Swen: Bisher hat noch kein größeres Label angefragt, und wenn dem so wäre, müssten die Bedingungen für uns interessant sein. Ich habe keine Lust, die Rechte an unserer Musik an eine Firma abzutreten, die uns dann Vorschriften machen kann, was wir zu tun und was zu lassen haben.
Alex: Es gibt für mich keinen Grund an der jetzigen Situation etwas zu ändern. Wir haben das neue Album auch keinem anderen Label angeboten. Never change a winning team.
Mittlerweile werden über Kidnap Platten von befreundeten Bands wie DIE ROTE SUZUKI oder ULTRAFAIR veröffentlicht. Wird das Label in Zukunft noch weiter ausgebaut?
Alex: Ja, wir werden wahrscheinlich zukünftig regelmäßig Tonträger veröffentlichen, da wir merken, dass viele Leute Interesse an unseren Veröffentlichungen haben. Das liegt natürlich in erster Linie daran, dass wir nur wenige, dafür aber sehr interessante Bands ins Rennen schicken. Klasse statt Masse. Neben der Musik ist es uns auch wichtig, die Bands oder zumindest Teile davon persönlich zu kennen. Der Begriff "Kidnap Music-Familie" ist, so gesehen, wörtlich zu nehmen.
Neben Kidnap Music betreibt Alex ja noch zusammen mit Measy von DIE ROTE SUZUKI den Tante Guerilla-Mailorder. Ist das Zeitvertreib oder Broterwerb?
Alex: Wir haben Tante Guerilla vor einigen Jahren gegründet und seit ein paar Wochen ist das Geschäft auch Broterwerb für mich. Ich habe meinen sicheren Job an den Nagel gehängt und mich kopfüber in den Guerilla-Betrieb geschmissen. Measy macht das schon ein paar Jahre hauptberuflich. Es ist ein toller Job, auch wenn wir hier ein paar Kompromisse eingehen müssen, die uns mit PASCOW oder Kidnap Music erspart bleiben.
Ihr spielt zwar viele Konzerte,"richtiges" Touren, also wochenlanges Kilometerfressen findet bei euch jedoch nicht statt. Sind PASCOW also ein wichtiger Bestandteil des Lebens, aber ein Leben als Berufsmusiker für euch nicht erstrebenswert?
Swen: Der Gedanke, von der Musik leben zu können, ist zwar reizvoll, aber leider wäre das mit vielen Zwängen verbunden. Wir lieben es, mit PASCOW tun und lassen zu können, was wir wollen. Wenn wir mit der Musik überlebensnotwendiges Geld verdienen wollten oder müssten, wäre es mit dieser Kompromisslosigkeit schnell vorbei. Es sei denn, wir hätten plötzlich Legionen von Fans.
Ollo: Wenn wir die Chance bekommen würden und keine abstrusen Kompromisse eingehen müssten, würde ich mir das schon ernsthaft überlegen. Selbst wenn man weiß, dass der "Spuk" nach ein paar Jahren wieder vorbei sein wird. Derzeit opfert man vielleicht nicht den ganzen Tag dieser Beschäftigung, aber es steckt schon verdammt viel Herzblut in der Band.
Bieber: Für mich wäre das überhaupt nichts. Ich hatte das schon mal und das war nicht mein Ding. Es ist wie mit dem Rauchen: von zwanzig Konzerten schmeckt dir dann eines. Die anderen sind nichts Besonderes mehr. So soll es bei mir nie mehr werden. Ich möchte mich auf jedes Konzert freuen und unter keinerlei Druck stehen.
Alex: Auf unserer To-Do-Liste wurde der Punkt "Rockstar" zwar schon vor Jahren mit Genuss gestrichen, aber warum nicht? Es gibt so viele Scheißjobs, und wenn ich die Gelegenheit hätte, von dem zu leben, was ich am allerliebsten mache, dann würde ich es tun. Klar würde das dann zu einem Job werden, aber hey, es wäre vielleicht der beste Job der Welt. Meiner Welt zumindest.
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