BOYSETSFIRE sind im Rahmen der diesjährigen Deconstruction-Tour zum ich weiß nicht wievielten Mal in Europa unterwegs gewesen, allein deswegen sollte Name und Geschichte der Band hinlänglich bekannt sein. Nicht? Okay, hier der Zeitraffer: Gegründet 1994, wird zwei Jahre später die EP „This Crying This Screaming, My Voice is Being Born“ auf Magic Bullet Records veröffentlicht. Ein Jahr später folgt auf Initial Records das Album „The Day The Sun Went Out“. 2000 wird über Victory Records dann „After The Eulogy“ veröffentlicht, was so etwas wie eine Blaupause für viele aktuelle Hardcorealben ist. Die EP „Live For Today“ sowie das Album „Tomorrow Come Today“ werden dann über Wind-Up Records (in Europa Sony) unter Volk gebracht, spätestens jetzt ist die Band in aller Munde. Zum Zeitpunkt des Interviews (welches ich mit Gitarrist Chad und Sänger Nathan nach einem beeindruckenden Auftritt in der Herner Eissporthalle führe) ist die Band labeltechnisch allerdings wieder auf freiem Fuß. Aber lest selbst.
Ihr habt eben eine sehr gute und begeisternde Show gespielt. Wie ist es schon wieder hier zu sein und was erwartet ihr von dieser Tour?
Nathan: „Wird hatten immer eine großartige Zeit in Europa, und auch heute Abend war es wieder schön. Ich versuche immer, keine großen Erwartungen zu haben, ehrlich.“
Chad: „Ich erwarte, dass Nathan einem auf die Nerven gehen wird, wie immer ...“
Ihr steht momentan ohne Label da, ist die Situation eher frustrierend oder motivierend?
Nathan: „Es ist überhaupt nicht frustrierend. Wir befanden uns in einer Situation, in der es große Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Dinge gab, von denen das Label meinte, wir sollten sie tun, und unserer eigenen Vorstellung von dem, was wir tun sollten. Aber man muss ihnen zugute halten, dass sie uns haben gehen lassen, als wir sie danach gefragt haben. Und das ist okay für uns.“
Wollt ihr bei den besagten Meinungsverschiedenheiten etwas mehr ins Detail gehen?
Nathan: „Es gab da verschiedene Sachen, aber an einen Punkt, auf den es im Endeffekt hinaus lief, war dann Schluss. Sie wollten uns mit einem Co-Songschreiber arbeiten lassen. Und das ist lächerlich, so was machen nicht. Sie haben uns dann erzählt, dass andere Bands so was auch tun, was ja schön und gut ist, aber wir tun es nicht.“
Chad: „Wenn wir im Vergleich zu dem Typen, den sie für uns hatten, so scheiße sind, sollte der vielleicht seine eigene Band gründen. Zumindest machen wir die Musik, auf die wir Lust haben.“
Immerhin gibt es jetzt keinen Wettbewerb zwischen euch und Celine Dion mehr ... Ihr wart ja Labelkollegen.
Nathan: „Das stimmt allerdings.“
Chad: „Worüber redest du da eigentlich, sie ist immer noch eine große Weggefährtin von uns.“
Gab es im Nachhinein Leute, die gesagt haben, sie hätten das kommen sehen?
Nathan: „Auf so was hören wir gar nicht, wir mussten verschiedene Sachen machen und wir haben sie gemacht. Wenn mir jetzt jemand kommt und sagt, er hätte es so kommen gesehen, sage ich ihm: ‚Fick dich!‘.“
Chad: „Wir müssen unsere eigenen Erfahrungen machen. In der Bandgeschichte haben wir immer ein bisschen von den verschiedenen Bands gelernt, mit denen wir zu tun hatten, aber besonders die Meinung von AVAIL ist uns immer wichtig gewesen. Und als ich mit Tim gesprochen habe, meinte er nur: ‚Ihr macht das schon alles richtig‘. Aber er ist sowieso ein sehr motivierender Mensch.“
Könnt ihr schon sagen, in welche Richtung es für euch labeltechnisch weitergehen soll? Wieder ein Major, oder doch eher ein Indie?
Nathan: „Als Band haben wir keine vorgefertigten Ideen dazu, ob wir auf einem Major oder auf einem Indie sind. Es geht darum, dass wir mit der Situation zufrieden sind.“
Chad: „Wir wollen hundert Prozent Kontrolle über unsere Musik und ihre Entstehung. Ebenso über die Art und Weise, wie sie präsentiert wird. Da muss uns niemand reinreden, das können wir verdammt noch mal alleine. Ich sage jetzt nicht, dass wir damit den Riesenerfolg haben, aber allemal Erfolg genug.“
Nathan: „Und wir sind glücklich damit.“
Gibt es Unterschiede zwischen der Vorstellung, die ihr als Kids davon hattet, in einer erfolgreichen Hardcoreband zu spielen, und eurer jetzigen Situation?
Nathan: „Das kommt darauf an, wie man es sieht, mal abgesehen davon verändern sich die Vorstellungen immer, bedingt durch die Erfahrungen, die man macht. Aber ja, es gibt Unterschiede.“
Chad: „Es ist schon so, dass Nathan dieses Popkultur-Ding mehr und mehr akzeptiert und gut heißt.“
Nathan: „Und Chad akzeptiert mehr und mehr Pornografie.“
Chad: „Ja, ich bin ein großer Fan von Zwergenpornos.“
Nathan: „Du siehst, wir sind schon ein wenig erwachsen geworden, zwar nur ein wenig, aber immerhin.“
Was haltet ihr davon, dass sich Hardcore, zumindest teilweise, in Richtung Progrock entwickelt?
Nathan: „Du meinst Zeug wie MARS VOLTA?! Das ist mir egal, ich nehme Bands so, wie sie sind. Das hat nichts mit einem bestimmten Stil zu tun. Es wird immer verschiedene Bands geben, die sich von den anderen Bands in ihrem Genre abheben. Was auch immer in dieser Richtung mit Hardcore geschieht, ich höre, was mir gefällt.“
Nathan, du hast auf der Bühne kurz George W. Bush erwähnt, aber direkt darauf hingewiesen, dass Veränderung auch im eigenen Umfeld und kleinen Gemeinschaften stattfinden muss.
Nathan: „Es ist doch so, alle Leute wissen, dass er ein schlechter Mensch ist. Aber das hilft der Sache nicht. Da müssen noch eine Menge andere Dinge passieren, man muss halt gucken, wo man die Unterschiede im eigenen Umfeld machen kann. Es geht nicht nur um diesen Typen.“
Chad: „Es geht hier nicht um eine Person, sondern um eine Institution.“
Nathan: „Mit John Kerry wäre die Situation im Endeffekt dieselbe. Natürlich ist Bush ein Scheißtyp, fuck him, aber was kommt danach?“
Okay, nehmen wir zum Beispiel diese Veranstaltung hier. Es gibt einen Stand mit den Leuten von Peta und sieben oder acht Stände mit Bandshirts und so weiter.
Nathan: „Ich stimme dir zu, da muss man an einen Punkt kommen, an dem eine definitive Veränderung einsetzt. Es enthält keine Substanz, wenn du Stände über Stände mit T-Shirts und ‚Shit for sale‘ hast, aber nur einen, mit etwas Sinn- und Nutzvollem. Es ist nahe liegend, dass wir es mögen, T-Shirts und CDs zu verkaufen. Zur selben Zeit sollte es aber auch mehr geben. Wir versuchen selber Sachen wie Broschüren und Flugblätter auf die Shows mitzubringen. Aber es ist gar nicht so leicht, sich um all so etwas kümmern. Weil du auch mit Sachen, die die Show betreffen, zu tun hast.“
Nenn mir drei Alben, die dein Leben verändert haben.
Nathan: „Die drei Alben, die mich wirklich beeinflusst haben, sind BAD RELIGION ‚Suffer‘, ein unglaubliches Album. BAD RELIGION haben viele gute Alben gemacht, aber ‚Suffer‘ ist definitiv ihr bestes. Dann kommen BORN AGAINST mit ‚Nine Patriotic Hymns For Children‘, das verdammt noch einmal beste Album überhaupt. Außerdem hatte es einen sehr großen politischen Einfluss auf mich. Als Drittes nehme ich Merle Haggard mit ‚Sing Me Back Home‘, das beste Countryalbum, was ich jemals gehört habe. Ich denke, es ist aus den Siebzigern. Jeder Song darauf ist wirklich sehr persönlich und berührend, aber auch sehr gut.“
Wenn du einen Beatle umbringen müsstest, welcher wäre es?
Chad: „Ringo.“
Nathan: „Ja, er ist so ziemlich der Nutzloseste.“
Chad: Ich respektiere Ringo, und die Tatsache, dass er immer zu allen anderen BEATLES gehalten hat, ist beeindruckend. Einige der Songs, die er geschrieben hat, sind irgendwie cool, aber auf ihn hätte man am ehesten verzichten können.“
Ihr seid beide BEATLES-Fans?
Chad: „Absolut.“
Nathan: „Ich nicht.“
Chad: „Was?“
Nathan: „Wir hatten diese Diskussion schon mal und ich musste mir einiges von dir und Josh anhören. Es ist nicht so, dass ich die BEATLES hasse, es ist einfach so ... Die BEATLES waren halt nie ein Thema für mich, genauso wie THE GRATEFUL DEAD.“
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